Straßenausbau: "Der Bürger zahlt immer"

14.1.2018, 16:00 Uhr
Straßenausbau:

© Foto: Michael Matejka

Es geht meist um viel Geld und um noch mehr Emotionen. Harry Scheuenstuhl, ehemaliger Bürgermeister von Wilhermsdorf und Landtagsabgeordneter (MdL), bat deshalb vor Beginn seiner Ausführungen um eines: In der anschließenden Diskussion solle man "nacheinander reden" und "niemanden beleidigen".

Die Befürchtungen waren unbegründet, viele der rund 30 Bürger, die ins Gasthaus List gekommen waren, machten zwar aus ihren Sorgen keinen Hehl, hielten sich aber an die Regeln.

Sollen heißt müssen

Zunächst erläuterte Scheuenstuhl die geltende Lage. Im Kommunalabgabengesetz (KAG) ist die Rede davon, dass Städte und Gemeinden eine entsprechende Satzung haben "sollen". Das, stellte der MdL klar, heiße im Behördendeutsch aber "müssen". Trotzdem präsentiert sich Bayern diesbezüglich wie ein Flickenteppich. 72 Prozent der Kommunen haben eine "Strabs" und verlangen von ihren Bürgern Beiträge, die anderen nicht.

Der Landkreis Fürth macht dabei keine Ausnahme: Oberasbach, Veitsbronn, Tuchenbach und Scheuenstuhls Heimatgemeinde Wilhermsdorf verzichten auf die entsprechende Satzung, ganz im Gegensatz zu den zehn anderen Städten und Gemeinden. Vom Staat wird das nicht gerne gesehen. Die Aufsichtsbehörden müssen ran – vor Ort ist dies das Landratsamt – und weisen die Kommunalpolitiker, mehr oder weniger nachdrücklich, auf ihre Pflichten hin. Dabei, so hat es ein Bürgermeister aus dem Landkreis gegenüber unserer Redaktion formuliert, würden einem "die Daumenschrauben angelegt".

Vor zwei Jahren verabschiedete der Landtag eine Reform des KAG. "Wiederkehrende Beiträge" heißt seitdem das Zauberwort. Die Idee: Nicht nur die unmittelbaren Anlieger einer Straße zahlen, sondern alle Einwohner eines Ortes oder Stadtviertels, die davon profitieren. Statt einmalig großer Summen – Betroffene müssen dabei bis zu hohe fünfstellige Beträge berappen –, wären so überschaubare Raten zu leisten.

Die wenigsten Gemeinden machen von der neuen Regelung jedoch Gebrauch, denn sie fürchten nicht nur einen erheblichen Verwaltungsaufwand, sondern auch weiterhin juristische Auseinandersetzungen. Denn: Die Vorstellung, dass alle Bürger eines Ortes in einen Topf zahlen und daraus der notwendige Straßenausbau finanziert wird, funktioniert in der Praxis nicht. Das hätten der bayerische Gemeindetag und die Staatsregierung "kaputt gemacht", meint Scheuenstuhl, indem sie den Kommunen vorgeschrieben hätten, viele kleine Abrechnungsbezirke zu bilden. In den Wortmeldungen formulierten die Bürger zum einen die Sorge darüber, dass die Zahlung mehrerer zehntausend Euro sowohl junge Familien als auch Senioren vor vehemente, teils existenzielle Probleme stellen könne. Zum anderen wurde immer wieder mehr "Gerechtigkeit" gefordert. Wer viele Autos besitzt, soll mehr bezahlen, meinte ein Bürger. Eine Anwohnerin aus der Kraftsteinstraße sagte, sie freue sich zwar darüber, dass das Erlebnismuseum auf der Cadolzburg Erfolg habe. Sie sehe aber nicht ein, für eine Sanierung der Straße zu bezahlen, die von Besucher-Bussen oder Wohnmobilen kaputt gefahren würde, die den Parkplatz am Höhbuck ansteuerten. Die aktuelle Gesetzeslage berücksichtigt derlei Dinge nicht

Doch jetzt machen die Freien Wähler in Bayern Dampf. Am 22. Januar starten sie ihre Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren, das die Straßenbaubeiträge wegfegen soll. Käme es so, stellen sich für Scheuenstuhl viele Fragen: Wie erhalten die Kommunen künftig ihr Geld? Schließlich würden sie beim Aus für die Satzung ihr Recht verlieren, von den Bürgern Beiträge einzufordern. Rund 60 Millionen Euro soll die Strabs ihnen zuletzt jährlich in die Kassen gespült haben. Der SPD-Mann glaubt aber, dass Städte und Gemeinden viel mehr benötigen, um ihren Aufgaben im Straßenbau nachkommen zu können. Summen von 120 oder 150 Millionen Euro sind im Gespräch. Ob der Freistaat dafür geradestehen wolle, und falls ja, wie lange?, fragt sich Scheuenstuhl. Was passiert, wenn der staatliche Topf leer ist? Und: Wer entscheidet künftig überhaupt darüber, wann eine grundlegende Sanierung notwendig ist? Der alte Streit – derzeit zwischen Rathäusern und Bürgern geführt und auch bei den Wortmeldungen zu hören –, die Gemeinde lasse die Straßen verkommen, um schließlich irgendwann die Anwohner zur Kasse zu bitten, würde dann auf eine andere Ebene verlagert.

Kraftlose Gemeinden

Die CSU favorisierte zunächst, die "Soll"-Regel im KAG durch eine "Kann"-Bestimmung zu ersetzen. Das hieße, die Verantwortung den Städten und Gemeinden zuzuschieben. Für den Ex-Bürgermeister würden diese dadurch "kraft- und saftlos". Inzwischen aber ist im Gespräch, die Regelung vor der Landtagswahl komplett abzuräumen.

Die SPD befürwortet die wiederkehrenden Beiträge, wollte aber zunächst einmal abwarten, was die Überprüfung der Reform 2016 durch das Innenministerium erbracht hätte. Inzwischen erwartet Scheuenstuhl, dass die CSU bis Mitte des Jahres eine Neuregelung auf den Weg bringt, um so das Volksbegehren im Wahljahr zu verhindern. Allerdings solle sich niemand Illusionen machen, sagt der Landtagsabgeordnete: "Wir sprechen hier nur von einem Verschiebebahnhof. Es zahlt immer der Bürger."

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