Tatort Theater: Ewig warnen die Geister der Heiligen Nacht

5.12.2017, 14:00 Uhr
Tatort Theater: Ewig warnen die Geister der Heiligen Nacht
Tatort Theater: Ewig warnen die Geister der Heiligen Nacht

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Eine wirklich gute Geschichte fällt im besten Fall dadurch aus dem Raster der Beliebigkeit, dass sie von allen geliebt wird. Charles Dickens’ Mär von dem am Heiligen Abend durch Geisterhand bekehrten Brutalo-Kapitalisten fällt fraglos in diese Kategorie.

Der Schriftsteller, der selbst genau wusste, wie Not sich anfühlt, wurde für seine Beschreibung der Folgen des erbarmungslosen Manchesterliberalismus sogar von Karl Marx gelobt. In der Folge bewahrte das die Dickens‘sche Weihnachtsgeschichte allerdings nicht davor, immer wieder höchst liebevoll mit Zuckerguss überzogen zu werden.

Jetzt liegt der Fall also bei Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl — als Batic und Leitmayr ermitteln die beiden seit 1991 gemeinsam in Diensten des Münchner "Tatorts". Und, wie schön, mit viel Gespür wird diesmal vermieden, auf der großen Klaviatur der Sentimentalität die süßen Töne anzuschlagen.

Zeitgemäßer Auftritt

Ein Verdienst, der zunächst einmal auf das Konto von Martin Mühleis (Text, Regie, Produktion) geht. In Fürth hat er sich zum Beispiel schon mit seiner erfolgreichen Erich-Kästner-Produktion "Als ich ein kleiner Junge war" im Stadttheater vorgestellt, und auch jetzt gelingt es dem Könner wieder, einen Stoff in seinem Kern zu erfassen und ihm einen zeitgemäßen Auftritt zu verpassen.

Die beiden Darsteller lesen den in eine leicht veränderte Form gebrachten Text und deuten die eine oder andere Spielszene an. Allein schon an dieser Zurückhaltung hängt ein Gutteil des Gelingens. Statt auf Mätzchen setzt die Inszenierung auf die Sprachkultur, mit der hier rezitiert wird. Menschen – und Geister – gewinnen durch die Kraft der Worte und des Ausdrucks an Gestalt.

Der Komponist Libor Šíma hat für die anrührende Geschichte eine Bühnenmusik geschrieben, die in den Mittelpunkt stellt, worum es eigentlich geht. Ein Weihnachtslied ("We wish you a merry Christmas") leuchtet immer wieder auf und wird verdrängt, wenn die Auswüchse des gnadenlosen Geizes, der hier angeprangert wird, aufscheinen. Oder das unverschuldete Leid, das jenes Gebaren im Gefolge hat, sichtbar wird. Einfühlsam und sehr präzise dem ganz eigenen Takt des Abends folgend, spielen die vier Musikerinnen des Fürther Elisen Quartetts auf. Zu Anja Schaller, Maria Schalk (Violinen), Karoline Hofmann (Viola) und Irene von Frisch (Violoncello) gesellt sich Ralf Zeranski am Kontrabass.

Eine kluge Licht-Lösung (Birte Horst) gibt ohne viel Tam-Tam die Stimmung vor und setzt die Musikerinnen – samt den Engelsflügeln, die sie tragen – in ein raum- und zeitloses Leuchten. In diesem unaufgeregten Ambiente agieren Wachtveitl und Nemec mit augenscheinlichem Spaß am dicht gewobenen Stoff. So scheinen nach und nach unverkennbar die fein verwobenen Lebensschritte und Schicksalsschläge auf, die aus Ebenezer Scrooge (Nemec) einen erbarmungslosen Geizknochen gemacht haben. Wachtveitl übernimmt sämtliche anderen Partien, ist Kind und Mädchen und Gespenst mit einem feinen Anflug von ironischer Distanz. Auch das entpuppt sich als probates Gegenmittel zur allzu heftigen Gefühligkeit.

Damit ist ein berührender Abend geglückt, der ein zeitloses Ansinnen in den Fokus setzt. Beim lobenswerten Trachten nach Klarheit ist dem Text allenfalls ein Stück weit die Poesie ausgetrieben worden. Der alte Marley etwa ist diesmal nicht "tot wie ein Türnagel". Stört das? Ach was.

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