Trost des Kreuzworträtsels

FÜRTH - In der Mundart hat der populäre Nürnberger Autor Fitzgerald Kusz einen Schlüssel zur Volksseele gefunden. Meisterhaft verleiht der 67-Jährige, der am Wochenende Großvater geworden ist, darin der Tragikomik des Alltags Ausdruck. In der literarischen Dienstagsreihe der Fürther Nachrichten diesmal zum aktuellen Thema: Lesen und Schreiben.

Prolog: „Ja, das Schreiben und das Lesen/ ist noch nie mein Fach gewesen“, singt der Zsupan im „Zigeunerbaron“. Die seltsamste Form, Lesen und Schreiben zu praktizieren und miteinander in Einklang zu bringen, ist das Lösen von Kreuzworträtseln. Manchmal kommt man dabei auch in Kontakt mit anderen Mitmenschen. Wie in dem nun folgenden Minidrama:

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Ein Mann sitzt auf einer Bank und starrt vor sich hin. Ein Penner kommt, stellt seine Plastiktüten ab und zieht eine Illustrierte heraus.

Penner: Iich kumm langsam nimmer nouch. Wossi die Lait blouß denkn! Werfn Kreizworträtsel wech, wous no ned graten hamm. Und an wen gäihts naus? An mir! Anner mouß ja raten! (Der Mann ist genervt, rückt vom Penner weg, der die Illustrierte aufschlägt.) Bleims ner dou und helfens mer. Er liest vor: Frauenname — mit vier Buchstoom? Fängt scho widder gout oo! O-L-G-A. Su hout mei Frau ghaaßn, und etz houts enn andern. Ner ja, aa worscht! (Er muß lachen) Hout Ihr Frau aa vier Buchstoom?

Mann: Iich muß etz...

Penner: (rückt zu ihm hin) Wos is denn scho derbei, wenns mer soong, wäiviel Buchstoom Ihr Frau hout? (Der Mann reagiert nicht.)

Penner: Des wär scho ä Zufall, wenn däi aa vier Buchstoom hätt. Ä Frau mit zwaa Buchstoom gibts ned. Drei is es Mindeste.

Mann: Iich muß etz gäih.

Penner: Wos is denn scho derbei, wenns mers soong. Also, wäiviel? Drei odder mehr?

Mann: Iich bin ned verheirert.

Penner: Nerja, aa worscht! Dann schreibi halt O-L-G-A nei. (Er schreibt.) Paßt! (Er liest:) Hinterbliebene Ehefrau: Des is ä W-I-T-W-E. Blouß vo die Weiber hamm sis dou in dem Kreuzworträtsl ... Es könnert ja saa, dass die Olga inzwischen Witwe is. Zu gönner wärse­rer ja. (Er liest vor:) »Einbalsamierter Leichnam«. Wos isn des etz widder? Fünf Buchstoom. Mir lichts aff der Zunger...

Mann: (hilft ihm) M-U-M-I- E.

Penner: Ja, genau, gwißt houis, obber draffkummer binni ned! Ä „Mumie“, des is ja aa scho widder ä Frau...

Mann: (unterbricht) Des kann aa ä Moo saa.

Penner: Wissens des gwiiß? Obber es haßt doch „die“ und ned „der Mumie“? Nerja, iich will mi destweeng ned mit Innern streitn. Mach mer läiber weiter. (Er liest) „Wohnraum“, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs Buchstoom.

Mann: (hilft ihm wieder) Z-I-M-M-E-R.

Penner: Ä „Zimmer“ houi aa ned. Iich hou ka Frau und iich hou ka Zimmer. Und etz kummt nu wos! Wäi sacht mer? Aller guten Dinge senn drei: Iich hou ka Frau, iich hou ka Wohnung. Und iich hou ka ... Des derroutn Sie nie. Des hout aa sechs Buchstoom.

Mann: A-R-B-E-I-T.

Penner: Sicht mer mir des oo, dassi kanne hou? Und derbei houi mall des Geld blouß äsu gschefflt! Unter der Wochn wohri im Gschäft und am Samstooch houi schwarz gerrberrt. Iich wär bläid gween, wennis ned gmacht hätt! Wissens, wos iich wohr? Schauers ämall mei Händ oo? (Er zeigt sie ihm.)

Mann: Gärtner?

Penner: (lacht) Schaui su aus? Naa, dou kummer Sie nie draff. Nie im Lehm.

Mann: Wäiviel Buchstoom?

Penner: (zählt mit den Fingern bis zwölf) Zwölf.

Mann: Iich kumm ned draff.

Penner: „Fliesenleger.“ Zählns nouch. Genau zwölf. Pause. Dreißg Euro in der Stund houi ghabt. Des mourner etz drei Tooch langer ... Wenni wollert, könnerti im Geld schwimmer,! Obber iich bin doch ned su bläid und errberr. Für wen denn? Iich leb su aa.

Mann: (steht auf) Iich muß etz dann ...

Penner: Iich bin nanni ferti: Sie wollmer doch helfn! Er zeigt ihm die Zeitung. Wissens, wos desmall zu gewinner gibt? Dou stäihts: ein „Luftsprudelbad VITAL“. Des könners dann an die Zeitung eischickn. Wos tou denn iich damiit, iich hou ja ka Bood! Dou bitte, schauers her: „ein richtiges Fitness-Center für Ihre Badewanne ... Ganzkörpermassagen ... bis zu 1400 Liter vorgewärmte Luft strömt durch die Strudelmatte ... Entspannung von Kopf bis Fuß.“ Wär des nix? Sie hamm doch ä Boodwanner? (Pause) Iich wollt, iich hätt aa anne! Wos hou iich Bäder gfliest! Und etz houi ned ämall anns!

Mann: Entschuldigens, obber iich mou etz ... Iich muß etz werkli ... iich ...

Penner: (hört nicht hin) Und des mäins dann eischickn. Obber bis wenn? Wou stäihtn des? Ach, dou untn: 30. März 2012. Schood, scho vorbei. Obber routen demmers trotzdem. Iich koo affn Toud ned leidn, wenn mer ä Kreizworträtsel oofängt und ned fertich raten tout! Und meistens is aa nu die Hälft falsch! Wossi die Lait blouß denkn! Und iich mouß dann däi ganzn Kreizworträtsel raten. (Er liest:) „Zukunftsglaube“. Ä ganzer Haufm Buchstoom.

Mann: Optimismus. (Nun bricht aus ihm heraus, was sich in ihm angestaut hat.) Iich bin ... inn ganzn Tooch rumglaufn, weili nimmer weiter waaß und etz sitzi dou ... und überlech ... und dann kummer Sie ... hocken si her ... obwohls säing, dass iich dousitz ... und dann fangers mit Ihre ... Kreizworträtsel oo! „Zukunftsglaube“ ... Für miich gibts ... ka Zukunft mehr ... Säing Sie denn ned, dassi ... mei Rouh hoom will. (Er schreit) Iich will allaans saa! Iich waaß überhaupt nix mehr! Und Sie ...

Penner: Iich koo nix derfür, wenn Sie ... Iich koo ned wissn, dass Sie ... Etz bins iich widder! Iich bin ned schuld, wenn Sie...

Mann: (unterbricht) Gestern houts gsacht, dass allers aus is.

Penner: Des kenni. Und etz hocki dou und rat Kreizworträtsel. Es gibt nix Bessers wäi Kreizworträtsel. Glaums mers. In jeder Zeitung is anns drin. Kreizworträtsel helfn gecher allers. Mach mer weiter! (Er liest) „Schilderung friedlichen Lebens“.

Mann: (schluckt, aber dann:) Idylle.

Penner: Wäi schreibt mer des?

Mann: (buchstabiert) I-D-Y-L-L-E.

Pernner: (schreibt erst, dann:) Apropos „Idylle“! Wos maaners, wou iich etz wär, wenns däi Kreizworträtsel ned gebert? Dou könnerti mer scho längst die Radiesler vo untn ooschauer. (Ende)