Urlaub zwischen Buchdeckeln

24.4.2014, 21:00 Uhr
Urlaub zwischen Buchdeckeln

© Jean-Pierre Ziegler

Ruth Ludwig sitzt vor dem „Süßkramladen“ in der Fürther Innenstadt. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht, doch davon bekommt sie gar nicht so viel mit: Sie ist versunken in ein Buch. Der dunkelbraune Umschlag verrät, dass es kein ganz neues Exemplar ist. „Kochbuch für eine Person“ steht darauf. Nach kurzer aufmerksamer Lektüre klappt sie es zu. „Das werde ich einem Junggessellen schenken“, sagt sie.

Ein günstiges Geschenk: Ruth Ludwig darf es ganz umsonst mitnehmen. Denn in dem „Süßkramladen“, eine Mischung aus Café und Geschäft, ist heute „Kochbuchtauschtag“: Kunden können aussortierte Kochbücher vorbeibringen und tauschen. Dutzende liegen bereits auf den Tischen vor dem Laden.

Die Idee hatte Ruth Ludwigs Tochter Beate, die den Laden betreibt. Inspiration war eine alte katalanische Tradition: Immer am 23. April, dem Namenstag des Schutzheiligen St. Georg, schenken die Spanier Fremden Rosen und Bücher. „Das finde ich toll!“, schwärmt Beate Ludwig.

Die UNESCO-Generalkonferenz hat aus der Tradition gleich ein Ereignis gemacht. 1995 rief die Kulturorganisation der Vereinten Nationen zum ersten Mal den „Welttag des Buches und des Urheberrechts“ aus. „Das Buch ist das bedeutendste Kulturmedium“, betont Roland Bernecker, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission.

„Es geht an diesem Tag darum, die Kinder an das Lesen heranzuführen“, sagt Martin Langenberger von der Buchhandlung Jungkunz, die im Rahmen des Festtags an der Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ teilnimmt. Dabei erhalten rund 800000 Schüler in ganz Deutschland das Jugendbuch „Die Jagd nach dem Leuchtkristall“. Sie müssen dafür nicht mehr tun, als Gutscheine in der Buchhandlung einzulösen, die ihre Lehrer im Internet bestellt haben. Zehn bis 15 Klassen kommen in den nächsten Monaten vorbei, um ihre Exemplare abzuholen.

Gleichzeitig stellen die Buchhändler ihre Arbeit vor und bieten Spiele an. „Die Kinder lernen dann zum Beispiel, was auf einem Buch alles so draufsteht“, sagt Langenberger.

Auch die Fürther Volksbücherei hat sich auf den Tag eingestellt. Die Lokalautorin Gaby Wohlrab liest aus ihrem Buch „Eldorin“ und führt die Zuhörer zu fantastischen Orten. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 15-jährige Maya, die in ein verborgenes Land reist und dort Abenteuer erlebt.

Für Caféchefin Ludwig macht genau das den Reiz am Lesen aus: „Ich tauche gerne in andere Welten ein.“ Dann erzählt sie, wie eine ihrer Kundinnen vorhin ein Mallorca-Kochbuch in der Hand hielt und beim Durchblättern schwärmte: „Das ist wie Urlaub.“

Ein Genuss, der noch immer vielen Deutschen verwehrt bleibt. Laut der Stiftung Lesen, die den Welttag unterstützt, können hierzulande 7,5 Millionen Menschen nicht richtig lesen und schreiben. „Vor diesem Hintergrund brauchen wir starke öffentliche Zeichen für das Lesen“, sagt Stiftungs-Geschäftsführer Jörg Maas.

Beate Ludwig ist mittlerweile selbst fündig geworden. In einem Backbuch ist sie über ein Rezept für englischen Weihnachtspudding gestolpert: „Das werde ich mal ausprobieren.“

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