Verlorene Stadt

19.9.2014, 11:30 Uhr
Verlorene Stadt

© Foto: Gerd Axmann

So grauenvoll also kann Fürth sein! Klotzige, fantasielose Architektur. In Schwarzweiß unter trübem Himmel. Überhaupt wirken diese Aufnahmen reichlich verschattet. Fast so wie Daguerreotypien aus den Kindertagen der Fotografie. Aber was ist denn das? Das Straßenschild trägt seinen Aufdruck spiegelverkehrt! Hängen die Fotos im Babylon alle falsch herum? Überhaupt: Diese Arbeiten wirken uralt. Man könnte meinen, sie stammen aus dem 19. Jahrhundert, wäre da nicht die moderne Architektur.

Nostalgie ist eine feine Sache. Die Beatles besangen etwa die „Strawberry Fields“. Gemeint waren damit nicht allein Erdbeerfelder, sondern eine bestimmte Adresse in Liverpool aus John Lennons Kindheit. Ein anderes Nostalgiebeispiel: Uropas Kastenkamera, vor der Familien im Sonntagsstaat mehrere Sekunden lang stramm standen. Wie solch ein Fotopionier ist Peter Kunz (42) losgezogen, um verschandelte Orte in Fürth aufzusuchen. Das Ergebnis: Hässliche Ecken, die allerdings mit den technischen Möglichkeiten des 19. Jahrhunderts gebannt werden.

Kunz griff hierbei aufs Nasskollodium-Verfahren zurück: „Das ist wie bei den Fotografen im Wilden Westen. Die hatten an Ort und Stelle ihre Fotoplatten hergestellt, die Kamera aufgebaut und die Aufnahme sofort danach in einem Zelt entwickelt", erklärt er. „Das waren die Polaroids des 19. Jahrhunderts.“ Auch Kunz verwendete eine Kastenkamera, belichtete auf schwarzem Glas oder schwarzem Metall und entwickelte sein Material in einem Zelt - wie etwa den Abriss des Parkhotels.

Öde Fassaden

Das kann man sich natürlich einfacher machen, etwa mit normalem Schwarzweißfilm. Aber Kunz wollte es kompliziert: „Ich wollte nicht die üblichen Fotos nach dem Motto ,Fürth gestern und heute’ bringen, ich wollte todtraurige Orte ablichten, die früher einmal voller Leben waren.“ Zum Beispiel einen Parkplatz vor einer Sandsteinfront. Früher stand dort das Café Fürst. Oder eine Brücke mit kastenartiger Architektur. Einst stand dort das Fischhäusle. Oder eine Garage mit fantasielosen Fassaden im Hintergrund. Dort war einmal die verwinkelte Architektur des Gänsbergs.

Und wie die alten Fotografien Flecke, Risse oder Fehler in der Entwicklung aufweisen, so zeigen auch Kunz’ Bilder schwarze Flecken, Striche und Fehler, die unabsichtlich entstanden waren, die er aber genau deswegen ausgewählt hat. „Mich interessiert alles, was sich jenseits der brunzlangweiligen digital perfekten Bildwelt abspielt“, erklärt er. „Außerdem waren die technischen Verfahren der ersten 30 Jahre der Fotografie technisch enorm hochwertig, viel wertiger als das, was danach kam.“

Peter Kunz’ Fotos im Babylon sind allesamt Unikate. Zur Kirchweih erscheinen allerdings Postkarten mit den Motiven und „Gruß aus der Denkmalstadt Fürth“. Die Serie ist übrigens nicht abgeschlossen, Kunz zeigt sich offen für Vorschläge, ehemals belebte und heute stillgelegte Orte per Nasskollodium zu fotografieren.

„Denkmale — die verlorene Stadt“:

Babylon-Gastrobereich (Nürnberger Straße 3), Tel. 7 33 09 66. Freitags und samstags 15-2 Uhr, sonn- und feiertags 10-1 Uhr, montags 14-1 Uhr, dienstags bis donnerstags 15-1 Uhr. Bis Mitte Dezember.

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