Vor 70 Jahren: Heiligabend läuteten die Hochzeitsglocken

26.12.2018, 16:30 Uhr
Vor 70 Jahren: Heiligabend läuteten die Hochzeitsglocken

© Scherer

Vor 70 Jahren tickten die Uhren noch ein bisschen anders. "Kurz nach der Währungsreform ging es rasant aufwärts, und auch die Ämter waren am 24. Dezember alle offen", erinnert sich Gertrud Bauer. "Solche Öffnungszeiten müsste ich heute mal meinen Mitarbeitern vorschlagen, die würden mich auslachen", sagt Oberbürgermeister Thomas Jung, der zur kleinen Feier im Geburtshaus von Konrad Bauer in der Hardstraße vorbeischaut.

Den Bauers kam der Termin Weihnachten 1948 gerade recht. Auch wenn die beiden kaum etwas zum Essen hatten und überall sparten, fuhren sie mit der Kutsche von der Hardstraße ins Fürther Rathaus. Die kirchliche Hochzeit folgte am zweiten Weihnachtsfeiertag in St. Michael mit vielen Gästen. Gefeiert wurde dann in Konrads Elternhaus.

Viel Platz gab es dort nicht, das Gebäude hatte kurz vor Kriegsende einen Treffer durch eine US-Fliegerbombe erlitten und brannte bis zum ersten Stockwerk ab. Konrad, handwerklich geschickt und gelernter Maler, schaffte es trotzdem, aus den vorhandenen Materialien ein Zimmer und eine kleine Küche für das frisch vermählte Paar bewohnbar zu machen. Geheizt wurde mit allem, was brennbar war.

Konrad Bauer hatte es mit einem der letzten Züge aus Russland zurück in sein geliebtes Fürth geschafft und musste nur wenige Wochen in amerikanischer Kriegsgefangenschaft verbringen. "Irgendwie hatte ich immer auch etwas Glück im Leben", erzählt der agile und großgewachsene 93-Jährige bei bester Gesundheit.

Anfang 1947 lernte er Gertrud bei einer Tanzveranstaltung im Kulturverein, dem heutigen Logenhaus, kennen. "Nach dem Krieg konnte man praktisch in jeder Gaststätte tanzen. Die Menschen waren ausgehungert nach Liebe, Freude und Leichtigkeit", erinnert sich die heute 89-Jährige an das Lebensgefühl im sonst grauen Alltag. Viele gemeinsam verbrachte Abende folgten. Damals wie heute ging das Paar gerne spazieren und stellte dabei fest, wie gut der eine zum anderen passt. "Und eines Tages im Frühjahr 1948 hat er mich gefragt, ob ich ihn nicht heiraten wollte", sagt Gertrud Bauer. Ein klares, freudiges "Ja" war ihre Antwort.

Koch bei der Army

Es ging bergauf, doch als Konrad Bauers Vater schwer erkrankte, kam das Aus für den elterlichen Betrieb. Wieder einmal kam dem Jubilar ein Quäntchen Glück zu Hilfe: Es ergab sich die Möglichkeit, bei den US-Streitkräften als Hilfskoch zu arbeiten. Schnell eignete sich Konrad das nötige Wissen an, nach zwei Jahren Ausbildung legte er die Gesellenprüfung mit Bravour ab.

Gertrud arbeitete erst als gelernte Drogistin bei der damals weithin bekannten Firma Scheidig in der Schwabacher Straße, bevor sie in die Exportabteilung von "Braun – Kamera" wechselte. Im Jahre 1949 erblickte Reiner, der älteste von drei Söhnen das Licht der Welt. Ihm folgten 1952 Kurt und 1953 Bernd.

Nachdem es dem Vater wieder besser ging, wechselte Konrad Bauer zurück ins elterliche Geschäft. Die Episode sollte aber nicht lange dauern, schon nach wenigen Jahren stand der stets positiv gestimmte Konrad abermals vor der beruflichen Neuorientierung. Gleich in der Nähe wurde die Stelle eines Fahrers in der Spielwarenfabrik "Höfler", frei. "Mein Glück", sagt Konrad Bauer.

Glück hatten die beiden vor allem aber auch mit dem anderen. Ging es einem schlecht, baute ihn der Ehepartner wieder auf. Toleranz, Verständnis und viel Liebe prägen das lange Eheglück bis heute. Inzwischen freuen sich die Jubilare über drei Enkel und vier Urenkel. "Vier Mädchen – wie wunderbar", freut sich Gertrud, die immer schon ein Mädchen in der Familie haben wollte.

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