Warnung vor dem Finanz-Fukushima

10.4.2013, 19:00 Uhr
Warnung vor dem Finanz-Fukushima

© Brandt/dpa

„Sollen wir noch weitermachen“, fragte Marc Friedrich nach etwa der Hälfte der Veranstaltung, „weil jetzt wird’s richtig heftig. Wenn Sie heute nicht schlafen können, wollen wir nicht schuld sein.“ Trotz des ernsten Hintergrunds referierten die beiden jungen Ökonomen mit Witz und Ironie. Am Ende der „kunterbunten Achterbahnfahrt“ gingen die meisten der Besucher wohl mit der Frage nach Hause: Soll man jetzt lachen oder weinen?

So viel vorneweg: Weder Weik noch Friedrich konnten Wege aus der globalen Finanzkrise aufzeigen. „Die einzige Möglichkeit wäre, die Mathematik zu verbieten“, meinte Matthias Weik, „und selbst das traue ich Brüssel mittlerweile zu.“ Vielmehr wollten sie Stück für Stück das Puzzle des Status quo zusammensetzen – mit der Betonung: „Wir sind keine Schwarzseher, sondern Realisten.“ Keine Thesen, sondern reines Faktenwissen werde den Oberasbachern an diesem Abend zugemutet.

Zurück ins Jahr 1971

Bei der Ursachenforschung für die weltweite Schuldenkrise gingen Weik und Friedrich zurück ins Jahr 1971, als die US-Regierung angesichts der immensen Kosten für den Vietnam-Krieg die Golddeckung des US-Dollars aufhob. Seither stiegen in praktisch allen Staaten die Schulden – und dies bis zum heutigen Tag. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hätten dann im Prinzip alle Banken den Pfad der Tugend verlassen. Fortan habe allerorts die Gier regiert. Als „Brandbeschleuniger“ fungierten schließlich die Anschläge vom 11. September 2001, in deren Folge niedrige Zinsen billiges Geld auf die Märkte brachte. „Und die Krise seit 2008 wird genau mit diesen Mitteln bekämpft“, stellte Friedrich fest.

Die Halbwertszeit der Rettungspakete für den Euro werde immer kürzer, nach der Pleite der Lehman Brothers habe das Finanzsystem vier Mal knapp vor dem Kollaps gestanden. Und der werde kommen, da sind sich die beiden sicher, „denn dieses System hat Krebs im Endstadium“. Besonders anschaulich wurde das Referat, wenn Marc Friedrich – Betriebswirtschaftler und eigenen Worten zufolge „ein Kind des neuen Markts“ – aus seinen unmittelbaren Erfahrungen des argentinischen Staatsbankrotts berichtete. „Innerhalb von vier Stunden war der Peso nichts mehr wert“, erinnerte er an das Jahr 2001, das er in dem südamerikanischen Land erlebte, „und die Banken wurden anschließend für zwei Wochen dicht gemacht“. Gewalttätige Demonstrationen mit Dutzenden Toten folgten.

„Akt der Zivilcourage“

Ein Szenario, das die Autoren auch für Europa für vorstellbar halten. Von der Politik sei nichts zu erwarten. Vielmehr müssten Europas Bürger selbst umdenken, sonst drohe ein „finanzpolitisches Fukushima, Bürgerkrieg oder gar Krieg“. Kurz und gut: „Die Fakten sind auf gut schwäbisch beschissen“, fassten die zwei Baden-Württemberger zusammen, die seit Monaten durch die Republik tingeln und ihr Buch als „Akt der Zivilcourage“ betrachten.

Ein paar konkrete Tipps gab’s für die Zuhörer noch mit auf den Heimweg: Bloß keine Schulden machen, denn die würden im schlimmsten Fall im Gegensatz zu Lebensversicherungen oder Spareinlagen nämlich nicht entwertet. Außerdem das Geld in Sachwerte, „in Dinge, die Sie verstehen“, stecken. Letztlich solle jeder die Krise auch als Chance sehen, für ein lebenswertes System zu kämpfen, in dem nicht „die Reichen immer reicher und die Fleißigen immer ärmer werden“. Jeder Einzelne müsse dafür seinen Egoismus überwinden. Denn das Guthaben der einen sind die Schulden der anderen. „Uns geht’s nur so gut, weil es anderen dreckig geht.“

10 Kommentare