Was Heimat bedeutet: "Geschichten von da und hier" im Kufo

5.10.2017, 19:00 Uhr
Was Heimat bedeutet:

© Foto: hjw

Ein Junge singt "What a Wonderful World". Ein Song wie eine Hand, die dich streichelt. Und doch: Ein Wohlfühl-Moment mit eingebauter ZDF-Sonntagabendfilm-Romantik wird es keinesfalls, wenn sich der Junge aus "Geschichten von da und hier" im Kufo ans Werk macht. Der schwer kranke Junge aus Armenien. Und was da nun so alles wundervoll ist an dieser Welt und was eher nicht, darf in diesem Moment jeder Zuhörer, jeder Zuschauer neu durchdenken.

"Es wird viele emotionale und tieftraurige Momente geben", sagt Johannes Beissel. Der Stadttheaterpädagoge hat das Begegnungsprojekt angeleitet und hievt es an diesem Freitag auf die Bühne der großen Halle des Kulturforums. Die Idee zu den "Geschichten" hatte Fürths Seniorenbeauftragte Christiane Schmidt: Lasst uns geflüchtete und alte Menschen zusammenbringen. Lasst uns schauen, über welche Brücken man gemeinsam gehen kann. Ein Wagnis, ein Experiment, ein Kulturen-Zusammenprall der nicht immer spaßigen Art.

Halt und Struktur

Von etwa 50 Mitmenschen, die sich im Februar zur ersten Besprechung trafen, sind am Ende 15 übrig geblieben. Hier sieben junge Männer aus Äthiopien, Armenien und Syrien, die seit ein, zwei Jahren in Fürth, Nürnberg und Stein leben, warten, Fuß zu fassen versuchen. Betreuer erzählten ihnen, was diese Theaterleute — neben Beissel die Roßtaler Sängerin und Gesangspädagogin Elena Roeder — vorhaben. Geh’ doch mal hin, rieten sie. Kann nicht schaden. Nicht alle kamen mit rasender Begeisterung; fast alle aber blieben, weil wöchentliches Proben Halt gibt, Struktur und vielleicht sogar Sinn. Ein Syrer ging und blieb verschwunden bis heute. Spurlos.

Dort sechs Damen und zwei Herren, Vertreterinnen und Vertreter der Generation Silber, die Älteste ist 75 und "Nur Mut!" das triftige Motto der Stadttheater-Saison 17/18. Beissel: "Ich finde die Idee zu dieser Produktion gut, weil alle unsere Mitwirkenden ähnliche Vertreibungserfahrungen gemacht haben." Verständnis wolle dieser 70-Minuten-Abend wecken, "indem wir Parallelen entdecken".

Die Entdeckungsreise selber aber glich zuweilen einem Ritt über den Bodensee. Auf der zwischenmenschlichen Ebene sei im Lauf der Monate ein großes Interesse füreinander entstanden. Zugleich aber trafen grundverschiedene Auffassungen über Ästhetik bei den jungen und nicht so jungen Menschen aufeinander. Der Werkstattcharakter dieser "Geschichten von da und hier" kollidierte mehrfach mit dem traditionellen Theaterverständnis, das vor allem die geflüchteten Männer mitbringen. Auch stünden Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei den Jungs, so Beissel, nicht ganz oben im Prioritäten-Katalog. "Dafür begreifen sie bei den Proben viel schneller." Und die Älteren wiederum brauchten, um sich gewisse Dinge einzuprägen, "deutlich mehr Zeit, als ich dachte". Doch wie die Nachsicht über den Groll siegte und sich Verständnis entwickelte für die Schrullen der jeweils anderen, das zählt zu den anrührenden Erfahrungen dieser schwierigen Probenzeit.

Von vornherein war das Ziel, eigene Themen und Geschichten der Mitwirkenden einfließen zu lassen — kein vorgefertigtes Stück von der Stange also, sondern ein typisches Bürgerbühnenprojekt. Das große, alle verbindende Thema: Heimat. Ein Begriff, der mit so vielen Emotionen belegt ist, "dass viele während der Proben erstarrten". Es sind Berichte über Vertreibungen und Verletzungen, über frisch geschlagene Wunden und Wunden, die nicht heilen wollen.

Auch wird — neben Tanz und Bewegung — Musik eine große Rolle spielen, alle singen ihre Lieblingssongs. Natürlich gebe er sich, sagt Johannes Beissel, nicht der Illusion hin, den Skeptikern und den Scharfmachern in Sachen Flüchtlingspolitik mittels eines einzigen Theaterabends den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Natürlich "wird niemand kommen, der AfD wählt. Falls doch, dann würde ich mir wünschen, dass er wenigstens einen Moment innehält, weil sein gewohntes Denken und Fühlen durcheinander gebracht wurde."

Z"Geschichten von da und hier": Premiere am Freitag, 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2). Weitere Termine: 7./8. Oktober. Karten im FN-Ticket-Point (Schwabacher Straße 106, Tel. 2 16 27 77) und an der Abendkasse.

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