Wenn das Reh ans Wasser geht

30.8.2012, 09:00 Uhr
Wenn das Reh ans Wasser geht

© Bernhard

Sehr selten sieht man trinkende, oder wie der Jäger sagt, schöpfende Rehe. Die Erklärung ist einfach – normalerweise nehmen sie die benötigte Flüssigkeit mit der Nahrung auf, insbesondere, wenn Blätter und Gräser mit Tau benetzt sind.

Mit besonders heißen, regenlosen Sommerperioden beginnt jedoch eine Notsituation für die scheuen Rehe. Haben sie das Pech, in einem trockenen Waldrevier ohne einen Bach, einer Quelle oder einem Weiher zu leben, sind sie in trockenen Zeiten gezwungen abzuwandern.

Ungern verlassen sie ihren angestammten Lebensraum, der oft nur 500 Meter im Durchmesser misst, auf der Suche nach Wasser. Kommen Ricken mit oder ohne Kitze in ein fremdes Revier, werden sie von den dort lebenden anderen Rehen eher geduldet als ein wandernder Bock. Das gesamte Jahr wacht dieser eifersüchtig über seine von ihm immer wieder frisch markierten Reviergrenzen. Erscheinen bei ihm in längeren Dürrephasen möglicherweise sogar mehrere Böcke auf der Suche nach Wasser, dann ist der Teufel los. Nicht das Wasser wird verteidigt, sondern das Exklusivrecht auf sein eigenes Revier. Ohne Kampf geht der Streit meistens nicht ab.

Der erste ergiebige Regen allerdings entspannt die Situation schlagartig. Auch Rehböcke sind an ihre eigenen, oft erkämpften Standorte gebunden, so dass sie sie schnellstens wieder aufsuchen, wenn die Lage sich verbessert. Sehr wenig ist noch bekannt über den Wasserbedarf eines ausgewachsenen Rehs. Selbst gestandene Jäger sind sich oft nicht im Klaren darüber, wann eine ernste Notsituation vorliegt.

Schuld an der allgemeinen Unsicherheit ist unter anderem die Tatsache, dass nur sehr selten Beobachtungen oder Fotos von schöpfenden Rehe gemacht werden können. Zum einen reicht meist die Flüssigkeit, die mit dem Futter aufgenommen wird. Zum anderen ist in Dürreperioden der Gang zum Beispiel zu einem Teich oder See ungewöhnlich für die naturgemäß nervösen und scheuen Rehe. Ein Teich bedeutet eine verringerte Fluchtmöglichkeit. Ins Wasser wagen die Tiere sich nur bei größter Gefahr, obwohl sie recht gut schwimmen können – selbst wenn es mit der Ausdauer nicht so weit her ist.

Immer wieder tritt das Reh von der Wasserstelle zurück, um misstrauisch nach einer Störung oder einer vermeintlichen Bedrohung Ausschau zu halten. Lange verweilt es deshalb nicht an einer Wasserstelle und ist demzufolge auch selten zu beobachten.

Kaum verwunderlich also, dass manche Jäger in den extremen Trockenzeiten auch für eine ausreichende Wasserversorgung in problematischen Revieren sorgen. Nicht nur die Rehe, sondern auch die meisten anderen Waldbewohner, wissen diese menschliche Hilfe zu schätzen.t

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