Wie die Geier auf die Knete

11.9.2014, 12:00 Uhr
Wie die Geier auf die Knete

© Foto: Mark Johnston

Ray Cooney ist eine sichere Bank. Denn der britische Autor hat das Spiel mit dem perfekt falschen Zeitpunkt perfektioniert. Für den Zuschauer ist der Schlamassel, in den Cooney sein Bühnenpersonal schickt, ungemein tröstlich. Eines ist nämlich stets sicher: Erst darf gelacht werden. Und dann wird alles gut. Martin Rassau, ein verstehender Connaisseur dieses unausweichlichen BoulevardVergnügens, hat den großen Meister durchschaut. Rassaus aktuelle Comödien-Inszenierung aus der Cooney’schen Stück-Schmiede spart nämlich nicht an dem Stoff, der das Chaos im Innersten zusammenhält: Tempo.

Für Herbert Lehneis (Martin Rassau), den braven Otto-NormalBurgfarrnbacher, entwickelt sich der Alltag von normal zu komplett anarchistisch schneller als einer „Aktenkoffer“ sagen kann. Mit diesem biederen Gepäckstück fängt für den Treubraven aus dem Tulpenweg das Unheil an. Dummerweise vertauscht er nämlich den seinen in der U-Bahn mit dem Koffer eines Fremden und kann jetzt statt Schinkenbrot mit Remoulade 800 000 Mark auspacken – wir schreiben Prä-Euro-Zeiten. Also auf ins Fundbüro? Was für eine blöde Idee. Flucht heißt Herberts Lösung. Mit Frau und ohne Katze Muschi.

Wie auf einem Schachbrett stellt Cooney mit diesem Plot seine Figuren auf. Geiern gleich werden sie am Ende zu acht Koffer und Knete umkreisen. In der Comödie liegt der Charme dieses Arrangements nicht zuletzt in der hingebungsvollen Ausstattung. Das Dekor (Bühnenbild: Franz Schwarz) mit den schönsten Scheußlichkeiten der 70er Jahre ist atemberaubend und befriedigt wirklich jede Schaulust. Vom String-Regal zum Ei-Sessel, dem TV-Gerät in Quietsch-Orange bis zur Plasma-Lampe vor der Tapete mit psychedelischen Mustern – ein Traum, der dankbar macht für die Tatsache, dass Moden vergehen.

An Verve und Zurückhaltung steht das Ensemble der Ausstattung in nichts nach. Volker Heißmann als Begriffsstutziger von höchster Kompetenz bekommt zugleich einen Sonderpreis fürs unglaublichste Kostüm. Wer die Bühnen-Outfits und Masken des Komikers kennt, ahnt, dass hier Großes zu bestaunen ist. Kompliment an Dramaturgin Stephanie Schimmer, die dem – natürlich wie gewohnt – fränkischen Duktus als Kommissarin auf der Bühne Wiener Obertöne beisteuert. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Hier gibt’s keinen Schmäh, sondern so was von auf die Zwölf, dass die Ohrringe fliegen gehen und der Dutt sich löst. So viel Einsatz als Darstellerin hat auch für das gut gelaunte Publikum etwas ungemein Befreiendes. Gut gemacht.

In die Abteilung Heimspiel fällt dann wieder Bernhard Ottinger, als, jawohl: Taxifahrer. Ebenfalls einer, der weiß, wo die Pointen exakt sitzen müssen. Auch wenn das auf Fränkisch möglicherweise einen kaum wahrnehmbaren Tick länger dauern mag, so lässt Regisseur Rassau seine Mannschaft dennoch keinen Moment ungenutzt verschwenden.

Eine Gag-Geschwindigkeit wird daraus, die das Nachdenken überholt. Erst recht, sobald der inzwischen 82-Jährige Cooney seinen Humor in eine Richtung lenkt, die man in den Siebzigern mit dezentem Schaudern „schlüpfrig“ nannte. Heute reicht dafür an solchen Stellen ein schlichtes: na ja.

Brechende Ehe-Barrieren

Was nicht darüber hinweg täuschen sollte, dass Cooney ein sehr weiser Mann ist. Er denke sich nie komische Situationen aus, hat er einmal gesagt. Was ihn reize, das seien eigentlich die tragischen Verstrickungen. Eine Fallhöhe, die auch in „Funny Money“ durchscheint. Als alle Schranken fallen, brechen plötzlich auch Ehe-Barrieren, und nie geträumte Sehnsüchte schaffen sich zaghaft Raum, bis das drakonische Lachen wieder alles überrollt und wir auf die finale Gerade einbiegen: Das glückliche Ende, wenn alle Fäden zusammenlaufen und alle glauben, jetzt sei alles gut.

„Funny Money“ in der Comödie wird auch da allen Erwartungen des dankbar applaudierenden Publikums gerecht. Sie wissen eben ganz genau, wie’s geht, der Cooney und seine Fürther Freunde.

„Funny Money“: Comödie (Theresienstraße 1), 23 Termine bis 16. Oktober. Karten (19 bis 32 Euro) bei Franken Ticket am Kohlenmarkt, Tel. 74 93 40, und an der Abendkasse.

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