Wilhermsdorf bekämpft die Flut

24.5.2015, 13:00 Uhr
Wilhermsdorf bekämpft die Flut

© Foto: Heinz Wraneschitz

Die Fische können kommen. Unterhalb der Brücke an der Hauptstraße plätschert der Stelzenbach seit kurzem über eine neue Treppe, die es Forellen und anderen Artverwandten ermöglichen soll, bachaufwärts zu wandern. Scheinbar harmlos präsentiert sich der Wasserlauf, wenige hundert Meter weiter westwärts gar idyllisch: Von Bäumen gesäumt, windet er sich aus Richtung Unterulsenbach kommend in den Ort. Neben der Dorfmühle weiden Schafe.

Nur der Fuhrpark passt nicht so recht ins Bild: Bagger, Rüttler, Bauwagen. Seit Monaten wird hier an der so genannten Hochwasserfreilegung, sprich entsprechenden Schutzmaßnahmen, gearbeitet. Die Wiese zwischen Bach und Mühle diente schon immer als Überschwemmungsfläche, allerdings machte das Wasser in der Vergangenheit auch vor den Häusern nicht Halt. Jetzt ist bereits der Damm zu erkennen, der die Grünfläche im Osten begrenzt und künftig die Wohnbebauung schützen soll. 2300 Kubikmeter Wasser sollen hier im Fall der Fälle zurückgehalten werden und dann durch die beiden „Einlaufbauwerke“, aus Beton gefertigte Durchlässe, dosiert weitergeleitet werden.

Das Bild vom harmlosen Stelzenbach trügt, und das hat mit dessen immensen Wassereinzugsgebiet zu tun: Siedelbach, Neidhardswinden, Kappersberg, durch den nördlichen Teil von Markt Erlbach und an Eschenbach vorbei — der Finger von Siegfried Lutter, Leiter des Bauamtes, beschreibt auf dem Plan einen riesigen Kreis. Rund 27 Quadratkilometer Fläche, so viel wie das gesamte Wilhermsdorfer Gemeindegebiet, entwässern in den Ulsenbach, der ungefähr auf Höhe des Hallenbades den Namen wechselt und dann Stelzenbach heißt. Damit wird schnell klar, dass mit der 480 000 Euro teuren Maßnahme an der Dorfmühle noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Verschlechtert hat sich die Situation im Ort, das weiß der Verwaltungsfachmann aus der Historie, mit dem Bau der Eisenbahnlinie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Wilhermsdorf wie ein Damm nach Süden hin zum Zenngrund abschnürt. Zudem wurden Häuser in Bereiche gebaut, die man dort nach Lutters Worten „heute nicht mehr genehmigen würde“.

Elektrischer Anschluss fehlt

Nach dem Hochwasser im März 2002 ließ die Gemeinde unter anderem einen zweiten Auslass am Bahndamm wieder aktivieren, außerdem wurden die Mauern links und rechts des Bachbettes entlang der Stelzenbachstraße erhöht. Ein Polderpumpwerk in der Gerberstraße entstand, um das Wasser Richtung Zenn zu befördern. Ein gleiches Bauwerk am Festplatz wurde 2011 begonnen, die Realisierung verzögerte sich aber, nachdem die Arbeiter beim Aushub auf übel riechendes Material gestoßen waren, dessen Belastungsgrad erst geklärt werden musste. Inzwischen ist das knapp 400 000 Euro teure Pumpwerk bis auf den elektrischen Anschluss fertiggestellt.

Wilhermsdorf droht von vielen Seiten Ungemach: „Wir sind von Tälern umschlossen“, sagt Bürgermeister Uwe Emmert. Das Augenmerk richtet sich indes weiter vorrangig nach Westen. Als nächstes steht das Rückhaltebecken Unterulsenbach mit einem Volumen von wenigstens 23 000 Kubikmetern an. Ein Projekt, bei dem die Gemeinde nach einer juristischen Anfechtung die Planung überarbeiten muss. Voraussichtlich 2016 wollen die Wilhermsdorfer die Sache angehen, doch damit nicht genug. Im Erlenbachgrund und bei Markt Erlbach-Kemmathen sind weitere Rückhaltebecken geplant: Dass die einstmals vorgesehenen Dimensionen mit 15 000 und 43 000 Kubikmetern heute nicht mehr ausreichen, da ist sich Siegfried Lutter sicher. Die Klimaveränderungen fordern ihren Tribut. Von Bodenversiegelung ganz zu schweigen. In welchem Zeitrahmen all das umgesetzt wird, hängt in erster Linie davon ab, ob und wie viel Geld vorhanden ist. Dass die Wilhermsdorfer dann einen nicht unerheblichen Teil ihrer Maßnahmen auf Markt Erlbacher Gemeindegebiet umsetzen ist nichts Besonderes, ganz im Gegenteil: Liegt ein Konzept zur Hochwasserfreilegung vor, ist es sozusagen aktenkundig, muss es auch in Gänze realisiert werden.

Trotzdem weiß der Bauamtsleiter eines in Sachen Hochwasserschutz genau: „Wir bekommen Verbesserungen in einzelnen Bereichen, aber eine hundertprozentige Sicherheit hat man nie. Außerdem hinken wir der Entwicklung ohnehin nur hinterher.“ Entspannter feiern und ruhiger schlafen können die Wilhermsdorfer aber nach der Umsetzung der Maßnahmen an der Dorfmühle im Sommer und bei Unterulsenbach sicher — auch Siegfried Lutter.

Beim Hochwasser im März 2002 musste er übrigens an der Abfahrt Wilhermsdorf-West die Autofahrer davon abhalten, ins überflutete Ortszentrum zu fahren und lotste sie stattdessen auf die damals offiziell noch nicht eröffnete Umgehungsstraße.

Stundenlang regelte er im Regen den Verkehr bis plötzlich hinter ihm Fahrzeuge aus dem Ort herauskamen. Die Durchfahrt war wieder frei, doch man hatte einfach vergessen, ihm Bescheid zu geben. „Danach lag ich mehrere Tage krank im Bett“, erzählt er schmunzelnd. Dank Hochwasserfreilegung leben die Angestellten der Gemeinde heute etwas weniger gefährlich.

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