Wilhermsdorf garantiert den Gruselfaktor

21.5.2017, 18:00 Uhr
Wilhermsdorf garantiert den Gruselfaktor

© Foto: Nina Daebel

Es ist Walpurgisnacht. Alexandra Zipfel ist passend gekleidet. Sie sieht so aus, wie man sich eine Hexe vorstellt. Das wallende tiefblutrote Gewand passt zu ihren langen Haaren in ähnlicher Farbe. Gegen die Kälte trägt sie einen wollig warmen schwarzen Mantel.

Ihr Accessoire hat sie mit Bedacht gewählt, trotzdem hadert sie noch immer ein wenig. Wie trägt man einen Besen? Er will nicht so, wie sie. "Ich habe mich noch nicht mit ihm angefreundet, irgendwie ist er mir ein bissl im Weg." Aber sie wird ihn schon noch bändigen.

Zipfel ist stellvertretende Vorsitzende des Heimatvereins Wilhermsdorf und hatte im Dezember des vergangenen Jahres eine Begegnung mit einem Buch. Titel: "Von Wilhermsdorf nach Markt Erlbach." Sie begann zu lesen, konnte nicht mehr damit aufhören und wollte mehr wissen über Wilhermsdorf im Mittelalter. Sie wälzte die Ortschronik und recherchierte im Internet. Und weil sie fest davon überzeugt war, dass all die zusammengetragenen Informationen andere genauso interessieren könnten wie sie selbst, hat sie den Rundgang ausgearbeitet. Vor Anmeldungen kann sie sich kaum retten. Rund 30 Leute nimmt sie mit auf den Streifzug durch die Geschichte.

So wie heute Abend. Man trifft sich um 20.30 Uhr vor dem Heimatvereinshaus. Es dämmert, Laternen werden aufgestellt. Matthias Zipfel, Ehemann von Alexandra Zipfel, trägt ebenfalls einen schwarzen Mantel. Die Kapuze hat er sich tief ins Gesicht gezogen. Im Verein bekleidet er das Amt des Schriftführers. Während des Rundgangs ist er Büttel und Henkersknecht.

Die Tour beginnt mit einer guten Nachricht. "In Wilhermsdorf sind keine Hexen verbrannt worden." Und dann folgt sogleich die schlechte Nachricht: In der Umgebung wurden zwischen 1575 und 1600 rund 472 Frauen als angebliche Hexen auf Scheiterhaufen gezerrt. Auch in Langenzenn.

Deswegen ängstigten sich die Bürger in Wilhermsdorf. Langenzenn war nah, man kannte sich. Nur allzu leicht hätte eine der beschuldigten Frauen andere im Nachbarort wahllos der Hexerei bezichtigen können. Dann wären auch sie nicht mehr zu retten gewesen.

Wo stand der Galgen?

Die Gruppe marschiert über die S-Bahn-Gleise, die Straße zum Wiesengrund hinunter. "Dort ist der kälteste Punkt des Ortes", sagt Zipfel. Sie will, dass die Zuhörer das ein bisschen spüren. Der Bach plätschert. Auf einer Wiese ragen Strommasten wie Galgen in den Nachthimmel. Und vom Wilhermsdorfer Galgen berichtet Zipfel kurz darauf auch. An der Denzelmühle stoppt die Gruppe. Erzählt wird von einem der Müller. Peter soll er geheißen haben. Er wurde als Dieb verurteilt und aufgehängt. Und zwar an dem Galgen, der in Wilhermsdorf errichtet worden war, nachdem der Ort im Jahr 1612 seine eigene Blutgerichtsbarkeit erhalten hatte.

Ein anderer Bürger war der Sodomie beschuldigt worden. Er wurde verbrannt, gemeinsam mit seinem Pferd. Nach derart gruseligen Geschichten, tut eine Stärkung gut. Und so weist Zipfel ihren Büttel an, das von ihr in kleine Röhrchen abgefüllte Hexenelixier zu verteilen: Apfel- und Kirschlikör oder Orangensaft. Anschließend geht es zurück.

"Wir haben gerädert, geköpft, verbrannt, aufgehenkt", resümiert Zipfel schließlich. Die Gruppe steht jetzt an der Stelzenbachstraße/Ecke Hauptstraße. Hier hat der Büttel seinen großen Auftritt. Denn in vergangenen Zeiten verkündete er als Bote, wer, wann und wo hingerichtet wurde, damit möglichst viele Schaulustige an dem Spektakel teilnehmen konnten. Sogleich erhebt Matthias Zipfel seine Stimme und durchschneidet die Stille der Nacht. So oder so ähnlich könnte es gewesen sein, als die Hinrichtung der Magd Anna-Katharina bevorstand. Sie hatte einst ihr uneheliches Kind lebendig begraben. Dafür war sie geköpft worden. "Am Hinrichtungstag sind die Wilhermsdorfer mit Fahnen, Pfeifen, Trommeln durch den Ort gezogen. Es war ein Umzug wie zu unserer Kirchweih", erzählt Zipfel.

Durch die Uferstraße und die Mühlstraße entlang. An der Dorfmühle bleibt sie stehen und erzählt die tragische Geschichte vom Müller und seinem zweijährigen Sohn, den er aus den Fängen eines Wolfes zu retten versucht hatte. Vergebens. Vater und Sohn starben. Während ein Hund lautstark bellt, geht es weiter zur evangelischen Hauptkirche. Und hier endet die Tour schließlich. Aber nicht, ohne eine kleine Überraschung für jeden. "Erzählen Sie von unserem Rundgang, aber erzählen Sie nicht alles, sonst ist es für andere nicht mehr so spannend", sagt Zipfel.

Die Führung am 20. Mai ist ausgebucht. Der Heimatverein will im Laufe des Jahres aber noch weitere Termine anbieten.

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