„Wir sind von Freunden umzingelt“

17.9.2010, 10:00 Uhr
„Wir sind von Freunden umzingelt“

© Thomas Scherer

Christian Schmidt, Fürther CSU-Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär im Verteidigungsministerium, spricht von einem „Abschied mit Herzblut“. Schmidt diente nach dem Abitur in den 70er Jahren 15 Monate in Murnau bei der 1. Gebirgsdivision und schied als Obergefreiter aus. Er war Sanitätssoldat, verbrachte viel Zeit in der Schreibstube, und bei der Ski-Weltmeisterschaft 1977 trat er zusammen mit Kameraden die Piste platt. Die Zeit bei der Truppe war für ihn ein Gewinn: „Ich wurde selbstständig und schloss Freundschaften, die bis jetzt halten.“

Heute, 35 Jahre später, betont er, die im Grundgesetz verankerte Wehrpflicht werde ja nicht rechtlich angetastet: „Wir schaffen sie nicht ab, wir aktivieren sie nur nicht.“ Wie das Feedback aus seinem Wahlkreis ausfällt? „Gemischt, die Jüngeren signalisieren mehr Zustimmung, die Älteren mehr skeptische Zurückhaltung.“

Schmidt hat den Eindruck, „dass viele in der CSU spüren, dass wir so unseren Markenkern eher erhalten, als wenn wir die Bundeswehr weiterbetreiben wie bisher“. Das nämlich hieße, dass viel Personal nötig ist, um Leute auszubilden, die einen nur sechsmonatigen Wehrdienst ableisten. „Und solche Soldaten kann ich nicht zu internationalen Friedenseinsätzen schicken. Die Bundeswehr der Zukunft aber wird vor allem eine Einsatzarmee sein. Natürlich dient sie auch dem Heimatschutz. Aber, um es mit Volker Rühe zu sagen: Wir sind von Freunden umzingelt, insofern ist die Landesverteidigung ein eher theoretischer Fall.“

Ernst Nützel, Fürther Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW) und zuständig für Stadt und Landkreis, hält eine Aussetzung der Wehrpflicht schon deshalb für sinnvoll, weil längst nur noch ein Bruchteil der infrage kommenden Männer eingezogen wird. „Und dabei lassen die jede Gerechtigkeit vermissen“, sagt er. „Da gibt es junge Leute, die nicht mal erfasst wurden. Andere wurden erfasst, aber nicht herangezogen. Das ist so undurchschaubar, dass man besser einen Schlussstrich zieht.“

Nützel ist 62 Jahre alt und war selbst nie beim Bund. „Ich wurde ausgemustert, weil ich Probleme mit den Augen hatte.“ Er kam als junger Mann zum THW und blieb dabei. 120 aktive Helfer zählt die Organisation in Fürth, nur zwanzig davon leisten ihren zurzeit noch sechsjährigen Ersatzdienst (früher zehn Jahre) ab. Viele der anderen, auch der 40 Reservehelfer, seien dem THW seit Jahrzehnten treu.

Deshalb und wegen „der hervorragenden Jugendarbeit hier“ befürchtet Nützel in Fürth keine schmerzhaften personellen Engpässe, wenn es keine Wehrpflicht mehr gäbe. Er räumt allerdings ein, „dass uns die Situation in anderen Ortsverbänden, gerade in ländlichen Gegenden Kopfzerbrechen bereiten wird“.

Andreas Leßmann, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Fürth, Reservist und stellvertretender Leiter des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr zum Landkreis Fürth, begrüßt die geplante Aussetzung der Wehrpflicht: „Wir müssen sparen, das ist eine feste Aussage der Bundesregierung, und vor diesem Hintergrund finde ich es klasse, dass wir die Zeichen der Zeit aufgreifen, unsere Bundeswehr verkleinern und die Wehrpflicht aussetzen.“ Leßmann freut sich in diesem Zusammenhang, wie er betont, auch darüber, dass all das offen und leidenschaftlich im ganzen Land diskutiert wird.

In der Familie des 53-Jährigen hat der Militärdienst Tradition: Großvater, Vater, Sohn — alle waren Soldaten, der eine bei den Kaiserlichen, der andere in der Wehrmacht... Die Welt drehe sich weiter, und eine Armee müsse sich folglich auch bewegen und verändern, meint Leßmann, der selbst Mitte der 70er Jahre zur Truppe kam und vor einigen Jahren militärische Aufbauhilfe im Kosovo geleistet hat.

Seine persönliche Meinung: „Einen normal wehrpflichtigen Soldaten kann man nach sechs Monaten Wehrdienst keinesfalls zu Auslandseinsätzen schicken. Krisenregionen zu befrieden oder dort Aufbauhilfe zu leisten, wird aber zunehmend Aufgabe der Bundeswehr. Uns werden heute ja nicht mehr die Streitkräfte des Warschauer Pakts in der Lüneburger Heide überrollen.“