Der letzte große Auftritt?

Ball in Zirndorf: Noch tanzt die "Egerländer Gmoi"

Harald Ehm

Fürther Nachrichten

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8.2.2018, 14:00 Uhr
„Wir gehören zu den Jüngsten“: Roland Tauschek (li.) und Josef Beckmann, die Macher bei Zirndorfs Egerländer Gmoi.

© Foto: Giulia Iannicelli „Wir gehören zu den Jüngsten“: Roland Tauschek (li.) und Josef Beckmann, die Macher bei Zirndorfs Egerländer Gmoi.

Ist der Egerländer Ball in Zirndorf ein gesellschaftliches Ereignis?

Roland Tauschek: Das kann man so sagen, der Zuspruch ist groß. Wir haben viele Stammgäste, die sich in der Regel gleich als ganze Gruppe anmelden.

Wie viele Besucher erwarten Sie?

Josef Beckmann: Wir haben den großen Saal der Paul-Metz-Halle für 220 Personen bestuhlt. Kommen werden erfahrungsgemäß zwischen 180 und 200 Gäste, und zwar aus dem gesamten Großraum Nürnberg-Fürth und dem Landkreis. Früher waren es mehr. Aber zum einen ist die Egerländer Blasmusik vielleicht nicht jedermanns Sache. Und zum anderen fehlt der Nachwuchs. Wo sollen denn jetzt die Egerländer noch herkommen?

Selbst Menschen, die die Vertreibung als Kind erlebt haben, gehen stramm auf die 80 zu oder sind älter. Wie sieht es bei Ihnen in Zirndorf aus?

Tauschek: Josef und ich gehören mit 63 und 61 Jahren zu den Jüngsten. Die "Gmoi" besteht noch aus 26 Mitgliedern, davon sind 13 Aktive.

Hat es die "Gmoi" verpasst, ihren Kindern und Enkeln das Egerländer-Gen zu vererben?

Tauschek: Es kommt immer darauf an, wie der Verein strukturiert ist. Die Nürnberger haben Jugend-, Sing- und Trachtentanzgruppen, aber natürlich auch Nachwuchssorgen. In Zirndorf hat man es meiner Meinung nach von Anfang an verpasst, den Sinn für Tradition und Sprache an Jüngere weiterzugeben. Bei mir daheim haben meine Eltern Dialekt geredet, obwohl sie zunächst nach Sachsen-Anhalt vertrieben wurden. Ich habe immer mit großen Ohren dagesessen und im Geist mitgesprochen. Als ich dann nach Nürnberg kam, habe ich das gepflegt, zum Beispiel bei den Hutscher-Abenden.

Hutscher-Abende?

Tauschek: Diese Veranstaltungen haben wir in Zirndorf einmal im Monat. Man trifft sich, redet, erzählt Geschichten, erfreut sich am Dialekt – man hutscht eben.

Lohnt es sich für Sie überhaupt noch, den Ball zu veranstalten?

Beckmann: Er ist wichtig für das Bestehen der Gmoi. Früher haben wir Ausflüge gemacht und waren regelmäßig bei den Kirchweihzügen in Zirndorf und Fürth dabei. Doch vor fünf Jahren haben wir unseren Wagen nicht mehr bekommen. Und die ganze Strecke laufen, das wollte keiner. Wirtschaftlich geht die Veranstaltung null auf null auf, aber sie ist wichtig in der Außenwirkung. Der Ball ist unser letzter großer Auftritt.

Und gefeiert wird mit angezogener Handbremse?

Beckmann: Das 60-Jährige haben wir in unserer Heimatstube im Rathaus groß gefeiert. Dieses Mal haben wir unsere Mitglieder gefragt, was wir machen sollen. Und die Meinung war: nichts Großartiges. Wir greifen das Jubiläum im Rahmen des Balls auf. Bürgermeister Thomas Zwingel wird ein Grußwort sprechen, und damit ist es gut. Ende des Jahres kommen wir in unserem Versammlungslokal, dem Zirndorfer Bergclub, zusammen, lassen uns ein schönes Essen servieren und ehren unsere Mitglieder.

Was bedeutet heute ein Besuch im Egerland für Sie?

Tauschek: Ich überlege mir oft, was in Menschen vorgegangen ist, die dort aufgewachsen sind. Mit welchen Gefühlen ist mein Vater wohl die Straße entlanggegangen, die früher sein Schulweg war. Aber heute ist Zirndorf oder Nürnberg das Zuhause. Meine Frau und ich besuchen einmal im Jahr die beiden Dörfer nahe der Stadt Marienbad, aus denen meine Eltern stammen. Es ist mir ein Bedürfnis, der Aura nachzuspüren, denn territorial liegen hier meine Wurzeln. Außerdem bemüht sich die örtliche Bürgermeisterin um ein freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Volksgruppen.

Beckmann: Ich war vor langen Jahren mit meiner Mutter und meinem Onkel in der alten Heimat. Der Onkel ist aufgeblüht und hat erzählt und gezeigt, was wo war und wer da und dort gewohnt hat. Meine Mutter ist einmal durch den Ort gelaufen und hat dann gesagt: ,Es reicht, lass’ uns wieder fahren‘. So haben beide auf ihre eigene Art die Vertreibung verarbeitet.

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