Zur Winterzeit gibt Cadolzburg Blicke auf sein «Gold» frei

9.10.2009, 00:00 Uhr
Zur Winterzeit gibt Cadolzburg Blicke auf sein «Gold» frei

© Wraneschitz

Kaum zehn Meter links von der Nürnberger Straße geht’s steil nach unten. «Hier war der letzte Cadolzburger Steinbruch im Innenort». Georg Siegling, der Dritte, zeigt auf einen grün schimmernden Teich zwischen hohen Bäumen. Er muss es wissen, schließlich war sein Vater Georg, der Zweite, dessen Besitzer.

Auch Erna Abram kann sich gut erinnern, wie es hier vor ein paar Jahrzehnten aussah: «Das Fundament des Steinbruchkrans steht immer noch hier», obwohl ihre Familie ein Wohnhaus direkt neben dem 1975 stillgelegten Sandsteinabbau errichtete. Nun ist alles zugewachsen. «Nur im Winter, wenn das Laub weg ist, kann man vom Friedhof aus erahnen, was hier früher passierte.»

Neue Vitrine

Eine Vitrine erinnert jetzt wieder an die Zeit, als ein Großteil der Cadolzburger Männer in Steinbrüchen arbeitete. Den über die Jahre marode gewordenen Vorgänger-Kasten hatte Paul Birk aufgestellt.

Der 82-Jährige war auch bei der «Neu-Eröffnung» wieder dabei. Wie 1988 sind auch im «Neuen» originale Spaten, Rinneneisen, Heb- und Schuckeisen montiert. Außerdem ist darin der Abbau des als «Cadolzburger Gold» bezeichneten Bodenschatzes erklärt: Sandsteine.

«An fast jeder Stelle im Ort wurden sie gebrochen», weiß Heimatmuseumsleiter Hans Werner Kress. Er beschäftigt sich seit langem mit der Industriegeschichte des Orts, hat alte Fotos und Dokumente zusammengetragen. Für ihn waren die alten Steinbrüche in der Jugend «meine Abenteuerspielplätze».

Und Kress kann viele Anekdoten berichten, wie die von einem kuriosen Streit im Jahre 1889: Da ging es zwischen mehr als 200 Steinbrechern und der Gemeindeverwaltung einerseits und den Steinbruchbesitzern andererseits um Unfälle bei der harten und gefahrvollen Arbeit. Zu klären war unter anderem die Frage, ob Bier gesünder sei als Schnaps. Die Arbeitgeber plädierten ganz eindeutig für - Schnaps.

Sie waren darauf aus, dass die Arbeiter im Bruch bleiben, und Schnaps konnten die Männer bequem selbst mitbringen. Das Bier hingegen gab’s im «Gasthof zur Eisenbahn» (heute «Friedenseiche») an der Nürnberger Straße. Nur: Dorthin mussten die Steinbrecher laufen und sie blieben, zum Verdruss ihrer Chefs, nicht selten ein bisschen länger.

Die 1892 vollendete Rangaubahn brachte Cadolzburger Sandsteinquader in die ganze Welt - zumindest nach Meinung vieler «Sporcher». Sogar ein eigener Gleisanschluss verband Bahnhof und Brüche.

Gesichert ist in jedem Fall: Das Fürther Stadttheater ist aus Steinen aus der ländlichen Nachbargemeinde gebaut. Auch die Nazis bedienten sich aus den Steinbrüchen für Autobahnbrücken und für Hitlers Teehaus auf den Obersalzberg.

Letzte Fuhre in die Noris

Etwa 1975 war’s, als die letzten Quader vom Dillenberg abtransportiert wurden: Nach Nürnberg ging die Ladung, um eine U-Bahn-Station zu verschönern. Und das, obwohl die Nürnberger doch immer stolz verkündeten, sie hätten selbst genug davon: «Vielleicht waren die eigenen Sandsteine ihnen nicht schön genug gewesen», mutmaßen alte Cadolzburger grinsend.

Wie Paul Birk kann sich auch Georg Miller an jene Zeit erinnern, als es mit dem Steinbrechen zu Ende ging: Miller war selber in einem Bruch beschäftigt.

Der Grund für die Schließung der letzten Abbaustätte am Dillenberg, außerhalb von Cadolzburg war der Grundwasserschutz. Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser von der ein paar Jahre zuvor entstandenen «Dillenberggruppe» ging vor.

Fast 200 Jahre lang bescherte der Sandsteinabbau «den einheimischen Baumeistern einen bescheidenen Wohlstand, und viele Taglöhner und Bauernsöhne fanden Beschäftigung und erzielten ein karges, sauer verdientes Einkommen», blickt Hans Werner Kress zurück.

Nun lässt man ihnen wieder ihre Ruhe, den «im Schoße der Erde vergrabenen Millionen»: So beschrieb die «Augsburger Abendzeitung» 1871 euphorisch die Cadolzburger Sandsteine. «Nicht ganz der Realität entsprechend», wie der Heimatmuseumschef zugeben muss.