Zwei Konfessionen: Kirchen gehen auf Paare zu

24.2.2017, 11:00 Uhr
Zwei Konfessionen: Kirchen gehen auf Paare zu

© Foto: Ralf Rödel

Einige Briefe auf dem Tisch im Gemeindehaus St. Michael sind handgeschrieben, Worte und Buchstaben drängen sich dicht aneinander. Es gibt offenbar viel zu sagen auf wenig Platz, denn in ihrem gemeinsamen Anschreiben hatten der katholische Dekan André Hermany und sein evangelischer Kollege Jörg Sichelstiel darum gebeten, höchstens eine Din–A4-Seite Text zurückzuschicken. Wie viele der 8800 Adressaten am Sonntag, 11. März, um 18 Uhr in die Michaelskirche kommen werden, wird man erst wissen, wenn es soweit ist. Fest steht: Mehr als 80 oft ältere Paare haben sich die Mühe gemacht, zu antworten und Hochzeitsfotos beizulegen. Aus den Briefen sprächen Freude, Dankbarkeit und Erleichterung über die Einladung, hieß es beim Pressegespräch im Gemeindehaus, und in vielen steckten Schmerz, Leid und Verletzung.

So berichtet ein Paar aus Fürth, das 1937 getraut wurde, vom Riss, der deshalb durch die Familie ging. Die Großmutter habe sogar einen Fluch verhängt. Ein Oberasbacher Paar, verheiratet seit 1957, schreibt vom "bitterbösen Brief" eines Repräsentanten der katholischen Kirche, der dem vermeintlich abtrünnigen Ehemann drohte, kein katholischer Pfarrer werde bei ihm eine Beerdigung abhalten.

Das Reformationsjubiläum erinnert heuer einmal mehr an jene kirchliche Erneuerungsbewegung, die 1517 mit Luthers Thesen-Anschlag begann und die zur Spaltung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen führte. Erstmals betonen Protestanten und Katholiken nicht die konfessionellen Gegensätze, sondern das Verbindende. Das Reformationsjahr 2017 wird überspannt von der ökumenischen Idee.

Vor diesem Hintergrund wollten die Fürther Dekane explizit Menschen ansprechen, die von der konfessionellen Trennung direkt betroffen waren und sind. Die katholische Kirche habe hier "den Schwarzen Peter", meinte Hermany, denn sie verstehe die Ehe als Sakrament. Und auch wenn dies früher sogar ein Muss war: Im neuen Ehevorbereitungsprotokoll, das sie seit dem Jahr 2002 ausfüllen müssen, sollen sich Paare, die katholisch getraut werden, noch immer verpflichten, ihre Kinder katholisch zu erziehen.

Der evangelische Dekan sprach von Dogmatismus und von Hartherzigkeiten, die es gegeben habe. Er erzählte von einer katholischen Braut, der in der evangelischen Kirche das Ave Maria verweigert wurde und die das viele Jahre später noch immer schmerzt. Er, Hermany und andere Kollegen seien sich in der Praxis einig, sagte Sichelstiel: "Wir sind froh, wenn Menschen kirchlich heiraten, egal wo." Doch gebe es bis heute keine kirchenrechtlich anerkannte ökumenische Trauung, sondern nur eine evangelische oder eine katholische. Wollen Katholiken evangelische Partner in evangelischen Kirchen heiraten, ergänzte Hermany, sei sogar das Einverständnis des Bischofs erforderlich.

Der "Zusammen"-Gottesdienst findet zeitgleich mit vielen Gottesdiensten in Deutschland unter dem Motto "Healing of Memories" statt. "Heilung fängt damit an, dass man auf die Wunden guckt", sagte dazu Hermany. Und Sichelstiel erklärte, er sehe in dem Motto eine "Selbstverpflichtung", an einer Heilung der Verletzungen der Vergangenheit mitzuwirken. Am 11. März wird in St. Michael übrigens keine Eucharistie und kein Abendmahl gefeiert. Aber es gibt ein ökumenisches Schweigemahl. Hermany formulierte es so: "Wir reichen uns Brot und Wein ohne Worte."

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