Zwischen Aufbruch und Stillstand

19.10.2010, 22:00 Uhr
Zwischen Aufbruch und Stillstand

© Hans-Joachim Winckler

Die Verwandlung vollzog sich aus Sicht der Schüler über Nacht — nämlich während der Sommerferien. Wer vorher Hauptschüler war, darf sich seit September Mittelschüler nennen. Was sich sonst für die Teenager änderte, ist — so lassen sich die Aussagen von Fürther Rektoren zusammenfassen — je nach Standort ganz unterschiedlich.

Neu ist, dass jede Mittelschule Partnerschulen hat, mit denen sie in so genannten Verbünden zusammengeschlossen ist. Drei Verbünde gibt es in Fürth. Die Dr.-Gustav-Schickedanz-Schule bildet mit der Soldnerschule und der Hans-Sachs-Schule den Nord-West-Verbund; zum Verbund Wiesengrund gehören die Otto-Seeling-Schule (ehemals Mai-Schule) und die Schulen Pestalozzistraße und Seeackerstraße; zum Südstadt-Verbund die Schulen Kiderlinstraße und Schwabacher Straße.

Pendeln fürs Zertifikat

Im besten Fall stärken sich die Partnerschulen gegenseitig. Ein Beispiel: Glücklich dürften sechs Schülerinnen der Hans-Sachs-Schule über die Reform sein. Sie haben sich für den Lehrgang „Kosmetik und Körperpflege“ angemeldet, den ihre Partnerschule — die Schickedanz-Schule — anbietet. Etwas Vergleichbares gibt es an der kleinen Stadelner Schule nicht. Das Zertifikat, ist sich Gerhard Kastl, Schulleiter der Schickedanz-Schule, sicher, wird den Gästen aus Stadeln bei der Lehrstellensuche helfen.

Kastl nimmt das Thema Berufsvorbereitung sehr ernst. An der Schickedanz-Schule gebe es schon lange ein großes Angebot „vertiefender Berufsvorbereitung“. Dazu gehören Lehrgänge, bei denen Schüler beispielsweise an CNC-Maschinen oder in der Krankenpflege ausgebildet werden, genauso wie Schülerfirmen und Bewerbungstrainings. „Eigentlich machen wir schon seit zehn Jahren das, was die Mittelschule vorhat“, sagt Kastl. Weil auch die M-Klassen, die auf den Mittleren Schulabschluss vorbereiten und nun in jedem Verbund an wenigstens einer Schule angeboten werden müssen, an der Schickedanz-Schule fest verankert sind, habe sich für seine Schüler nicht viel geändert.

Auch an anderen Schulen, glaubt Kastl, sei der große Fortschritt ausgeblieben: „Das Profil einer Schule ändert sich nicht von heute auf morgen. Da hätte es ein Zeitfenster gebraucht, in dem so etwas entwickelt wird.“ Optimistischer ist Gerhard Graefe, Rektor der Otto-Seeling-Schule. Für die Eltern sei es eindeutig ein Vorteil, dass Ganztages- und M-Klassen nun in jedem Verbund angeboten würden: Früher musste an die Schickedanz-Schule wechseln, wer den Mittleren Abschluss machen wollte. „Jetzt ist das relativ wohnortnah möglich.“

Große Erwartungen

Erfreut ist Graefe auch darüber, dass seine Schule, jedenfalls seinem Gefühl nach (nachgerechnet habe er es noch nicht), dank der Reform mehr Stunden für Förderunterricht als im vergangenen Jahr zur Verfügung hat. Sie sollen schwachen und starken Schülern gleichermaßen zugutekommen. „Wir suchen auch nach denen, die es in die M-Klassen schaffen könnten.“ Das Bilden von Fördergruppen (Modularisierung) sei ein Element der Mittelschule, von dem er sich viel verspreche: „Mehr Schüler werden den Mittleren Abschluss erreichen.“

Nicht so sicher ist sich da Günter Schwarz von der Soldnerschule. Dort sei die Zahl der Stunden im Wesentlichen gleich geblieben. Ohne zusätzliche Stunden aber ließen sich die Schüler auch nicht viel besser ausbilden.

Das sieht auch Schulreferent Markus Braun so und verspricht, den Freistaat in die Verantwortung zu nehmen, wenn die Zahl der Lehrerstunden in Fürth mit der Reform nicht gestiegen sei. Auf das Gefühl der Schulleiter will sich Braun dabei nicht verlassen. Ende Oktober soll eine Statistik vorliegen.