Zwischen Gier und Verzweiflung

3.7.2015, 19:00 Uhr
Zwischen Gier und Verzweiflung

© Foto: Thomas Scherer

Über ein Jahr lang hatte Lehrer Daniel Winning an seiner Szenenfolge „Projekt.Schuld“ gefeilt und mit 19 Buben und Mädchen der Klassen acht bis zehn geprobt, was man in einer Fotogalerie im Foyer nachvollziehen kann. Hierzu vertieften sich die Schüler nicht nur theoretisch in die Kreisläufe von Finanzpolitik, Verschuldung, Kapitalsicherung und Verlust an Lebensqualität, sie reisten auch für eine Woche nach Porto, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu studieren. Das kostet Geld. Ermöglicht wurde all dies durch die Generosität der Raiffeisen-Volksbank Fürth, was an diesem Abend für niemanden zu übersehen war.

Das Stück „Projekt.Schuld“ ist eine Theater-Collage, die in kurzen Szenen möglichst viele Aspekte der komplexen Materie abdecken will. Und die vor allem die Probleme der kleinen Leute demonstriert. Das spartanische Bühnenbild zeigt zwei Bänke. Die eine ist die „Bank“, auf der geschniegelte Damen und Herren ihr Geschäft wie ein Gesellschaftsspiel betreiben. Die andere Bank ist die Parkbank, auf der gestrandete Jugendliche sich gegenseitig bemitleiden und dumpf im Kreis denken. In der Mitte zwischen diesen Polen brennt eine Altarkerze, stellvertretend für alle, die auf der Strecke bleiben.

Bereits die erste Szene versucht zu erschüttern. Eine Mutter kommt nach Hause und findet ihr Kind tot vor. Warum, weshalb? Das wird vorerst nicht geklärt und zieht sich als Running Gag durch das Stück, nämlich immer dann, wenn einer eine „krasse Geschichte“ aus der Zeitung vorlesen will, aber keiner ihm zuhört.

Keinerlei Impuls

Des Weiteren sehen wir Szenen, in denen hochverschuldete Jugendliche in Erkenntnis ihrer Lage keinerlei Impuls verspüren, gegen ihre Misere anzugehen, sondern sich erst recht in den Exzess stürzen. Schön grimmig auch die Szene, in der auf stockfinsterer Bühne die Herde Gutgläubiger dem „Licht der Welt“ hinterherläuft, das Bausparverträge, Lebensversicherungen und Kapitalanlagen verspricht. Ein Exkurs in die Geschichte belehrt uns, dass Europa durch einen gemeinsamen Markt zu einem politischen Friedensgebilde zusammenwachsen sollte. Das Ergebnis heute: Vereinzelung, Verzweiflung, Armut, Anarchie. Was tun? Da appelliert das Stück an den jugendlichen Idealismus, an den Zusammenhalt, an das Gefühl, dass alles zu schaffen sei.

Mit Verlaub: Das ist ein Stilmittel, das Problemfilme aus dem Hollywood der 40er und 50er Jahre ans Ende geklebt hatten, weil man das Publikum nicht ganz frustrieren wollte. Immerhin: der Schluss zeigt nochmal alle Protagonisten im chaotischen Kreisverkehr, eine Lösung scheint nicht in Sicht.

Der Zuschauer verlässt das Stadttheater mit einem leicht zwiespältigen Gefühl: Das 50-minütige Stück hat ihn zum Nachdenken angeregt. Das Rahmenprogramm allerdings – ein insgesamt rund 20 Minuten langer Prolog von Schulleiter und Raiffeisenbank-Vorsitzendem sowie am Schluss eine 15-minütige Danksagung – dürfte manchem deutlich zu opulent ausgefallen sein.

Eine Frage bleibt offen: Wie hätte wohl ein Schultheater in Portugal oder Griechenland ein Stück zum selben Thema inszeniert?

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