Zwischen Märchen und Realität

24.6.2018, 09:11 Uhr
Zwischen Märchen und Realität

© Foto: Jan-Pieter Fuhr

Zwischen Märchen und Realität

© Foto: Edgar Pfrogner

Nicht nur die Augsburger Puppenkiste weiß Märchen zu vermitteln. Auch das Theater Augsburg nimmt sich märchenhafter Stoffe an. Etwa den Märchen aus 1001 Nacht. Diese über viele Jahrhunderte gewachsene Sammlung, die Geschichten aus Indien, Persien und Arabien vereinigt, unterhält nicht bloß kindliche Gemüter aufs Vortrefflichste. Die Gesamtausgabe hält auch eine ganze Menge Überraschungen erotischer Natur und philosophische Parabeln für den erwachsenen Leser bereit.

Zusammengehalten und grundiert wird das Ganze von einer grausamen Rahmenerzählung. Ein Sultan, ob der Untreue seiner Gemahlin in seiner Ehre gekränkt, beraubt jede Nacht eine neue Jungfrau ihrer Unschuld und lässt sie dann töten. Erst die Erzählerin Scheherazade besänftigt den Wüterich.

Statt ihm zu willfahren, erzählt sie ihm Geschichten. Scheherazade gilt überdies als Erfinderin des "Cliffhangers": An der spannendsten Stelle einer Erzählung bricht sie ab und erzählt erst in der nächsten Nacht weiter. Nach 1001 Nächten ist der Sultan endlich erleuchtet, sodass er von seinem Treiben ablässt.

Eben diese Rahmenerzählung hat es dem türkischen Autor Turgay Nar, Jahrgang 1961, angetan. "Das Spiel der Schahrazad" verlegt die Handlung zwar in einen märchenhaften Orient mit Königen, Wesiren und Sklaven, liest sich aber genauso als Parabel auf aktuelle Zustände.

Der König (Anatol Käbisch) ist hier ein überraschend junger Herrscher, der offenbar nie erwachsen geworden ist. Launisch wie ein Kind steht er in einem Abhängigkeitsverhältnis sowohl zu seinem Wesir wie zu seinem ergebenen stummen Sklaven. Als dritte Macht lenkt ihn die Figur des längst verstorbenen Vaters, der die unselige Tradition des Deflorationsmordes begründet und an den Sohn vererbt hat.

Ihm gegenüber steht die temperamentvolle Wesirstochter Schahrazad (Linda Elsner), die nicht nur ihre kleine Schwester Dunyazad (Marlene Hoffmann) vor dem Tyrannen, sondern die ganze Stadt vor dem Zorn der Götter, der sich in Erdbeben manifestiert, und dem befürchteten Aufstand der Sklaven bewahren will. Was Schahrazad, verfasst von Turgay Nar, leistet, ist nun kein episches Geschichtenerzählen mit all der Vielfalt an Lebensfülle, sondern eine psychologische Tiefenbohrung in die Vorgeschichte der Eltern. Wie in der literarischen Vorlage erstreckt sich die Therapie über viele Nächte.

Tagsüber entwickelt sich auf der Bühne eine politkriminelle Parallelhandlung: Da forschen Schahrazad und Dunyazad ihren Vater, den Wesir aus, stöbern in Geheimarchiven und in verbotener Literatur, und enthüllen so nach und nach ein Geheimnis von unermesslicher Schuld und perfider Rache.

Der Regisseur Ferdi Deðirmencioðlu, der auch den Text ins Deutsche übersetzt hatte, gestaltet diese Parallelhandlung in einem einzigen Bühnenbild, in dem Innen und Außen, Wonnebett und Leichenlager, Archiv und Thronsaal zusammenfallen und sich lediglich durch Beleuchtungseffekte voneinander abheben.

In "1001 Nacht" erweist sich der Sultan als einsichtig und bekehrt sich zum Guten, ganz in Schillers Sinne, der selbst in Tyrannen den Funken der Menschlichkeit zu entfachen gesucht hatte. Diese Lösung weist Turgay Nar von sich. Zwar geht das "Spiel der Schahrazad" auf, indem der König erkennt, wer und was er wirklich ist – doch die Lernfähigkeit, der Wandel zum Guten, bleibt in diesem Drama allein den Märchenerzählern vorbehalten.

Politiker eingeladen

Zu einer Aktion in eigener Sache haben Mitarbeiter des Stadttheaters die Theatertage genutzt. Sie luden Kommunalpolitiker hinter die Bühne ein, um ihnen vor Augen zu führen, mit welchen Problemen ein Kulturbetrieb zu kämpfen hat. Schauspielerin Jördis Trauer berichtet von Arbeitszeiten, die berufstätigen Eltern Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung bereiten. Babysitterkosten von bis zu 600 Euro im Monat seien bei einem Einstiegsgehalt von 2000 Euro brutto nicht so leicht zu schultern. Im öffentlichen Dienst bekämen Berufsanfänger 2600 Euro.

Aber auch mangelhafte Arbeitszeitregelungen macht den Mitarbeitern zu schaffen. So weist Jördis Trauer darauf hin, dass das Lernen der Theatertexte und der Erhalt der Fitness in der Freizeit geschehen müssten. Darüber hinaus seien Frauen auf der Karriereleiter und in der Bezahlung immer noch deutlich schlechter gestellt als ihre männlichen Kollegen. Selbst das Repertoire trage mit der Dominanz männlicher Rollen zur Ungleichbehandlung bei. Dem könne man durch konsequente Umbesetzung Paroli bieten. Trauer denkt etwa an eine Frauenbande in Schillers Drama "Die Räuber".

Auf die Politik hoffen die Mitarbeiter, weil sie die finanziellen Rahmenbedingungen verbessern kann. Die Stadt Fürth hat den Theateretat zwar erhöht, doch die erhoffte Unterstützung durch den Freistaat ist bislang ausgeblieben. Und das, obwohl man die Voraussetzung mit dem Aufstellen eines eigenen Ensembles erfüllt habe. 17 Eigenproduktionen – deutlich mehr als in der Nachbarstadt Erlangen – zeugen in der aktuellen Spielzeit vom Fürther Engagement.

Die Fürther Kommunalpolitiker waren beeindruckt, was die Truppe des Stadttheaters unter schwierigen Bedingungen alles auf die Beine stellt. Einig sind sie sich in der Forderung nach einer besseren staatlichen Unterstützung.

Verwandte Themen


Keine Kommentare