Fürth: Rechte wollen mit Tarnorganisation ins Rathaus

27.1.2014, 08:30 Uhr
Fürth: Rechte wollen mit Tarnorganisation ins Rathaus

© Hans-Joachim Winckler

Mindestens sechs sind es immer. Manchmal sogar zwölf. Sie stehen in der Innenstadt in Grüppchen zusammen. Dort verteilen sie Flugblätter in den Fürther Farben, grün und weiß. Doch was auf den Zetteln steht, damit sind große Teile der Stadtgesellschaft überhaupt nicht einverstanden.

Die Männer, die den Passanten ihre Flyer in die Hand drücken, gehören zur „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF), einer Tarnorganisation des in Franken und der Oberpfalz besonders aktiven rechtsextremistischen Netzwerkes „Freies Netz Süd“ (FNS). Ihr Ziel ist es, Wahlkampf für die Kommunalwahl im März zu machen. Mit rassistischen Forderungen wie etwa der Einführung eines „kommunalen Müttergehalts ausschließlich für deutsche Mütter“ oder Parolen gegen „sinnlose ,Multikulti-Programme‘ und antideutsche Vereine und Veranstaltungen“ will die BiSF auf Stimmenfang gehen.

Seitdem die Rechtsextremisten in der Fürther Innenstadt ihren Wahlkampf betreiben, gehen auch Vertreter des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus (BgR) auf die Straße. Sie wollen die Menschen darüber aufklären, wer sich hinter der BiSF tatsächlich verbirgt.

Bei der letzten Wahl scheiterten die Rechtsradikalen

Bereits bei den letzten Wahlen 2008 versuchte die rechtsradikale NPD in Fürth einen Fuß ins Rathaus zu bekommen – und scheiterte. Da die Rechtsextremisten diesmal jedoch unter dem Deckmantel der BiSF ihr Glück versuchen, sei es schwerer, die Bevölkerung auf die Gefahr hinzuweisen, erklärt Ruth Brenner vom BgR. Denn der soziale Anstrich des neuen Namens verschleiere auf den ersten Blick, wer wirklich dahinter stecke, befürchtet sie. „Einige Bürger haben die BiSF sogar schon mit dem Fürther Sozialforum verwechselt, das sich etwa für Sozialwohnungen und billigere VGN-Tickets einsetzt.“

Jeden Tag ziehen Unterstützer des Bündnisses deshalb los, um die Passanten über die BiSF zu informieren.

Fürth: Rechte wollen mit Tarnorganisation ins Rathaus

© Günter Distler

Obwohl sich etwa 100 Personen daran beteiligten, sei die tägliche Aufklärungsarbeit keine leichte Aufgabe, sagt Bündnis-Sprecherin Brenner. Beispielsweise würden die Rechtsextremisten ihre Gegner wegen erfundener Vergehen bei der Polizei anzeigen. Mit den Einstellungsbescheiden, die den Anzeigen folgten, kämen sie jedoch an die Meldeadressen der Bündnis-Unterstützer und könnten diese so einschüchtern, berichtet sie. Außerdem machten die BiSF-Aktivisten Fotos von den Antifaschisten und bedrohten sie mit Sprüchen wie „Wir merken uns dein Gesicht.“

Der Polizei wirft Brenner vor, Unterschiede bei der Behandlung der beiden Gruppen zu machen. „Wir vom Bündnis machen das, was politisch gefordert wird: Wir zeigen Zivilcourage und stellen uns gegen die Neonazis“, sagt sie. „Doch dann werden wir durchsucht, kriminalisiert und die absurden Anzeigen werden zugelassen.“

Fürths Polizeichef Peter Messing weist diese Vorwürfe jedoch entschieden zurück. Er betont, dass die Beamten alle Anzeigen – egal von welcher Seite – objektiv aufnähmen. Denn das sei schließlich ihre Aufgabe. Auch behandelten sie die Vertreter beider Gruppen gleich. „Wir sind eine demokratische und keine Gesinnungspolizei.“ Für Brenners Vorschlag, die Einstellungsbescheide künftig zu anonymisieren, so dass keine Meldeadressen einsehbar seien, sei die Polizei die falsche Adresse, sagt Messing. Der richtige Ansprechpartner dafür wäre die Staatsanwaltschaft.

Eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und Bündnis scheint auch in naher Zukunft nicht möglich. So hat sich mittlerweile der ehemalige Fürther Polizeidirektor, Wilfried Dietsch, in die Debatte eingeschaltet. In einem Leserbrief im gemeinsamen Lokalteil von NN und NZ kritisiert er die „unqualifizierten Äußerungen“ von Bündnissprecherin Brenner gegen die Polizei scharf. „Was mich wundert, ist, dass sich vernunftorientierte Bürger von dieser Sprecherin ,führen‘ lassen und nicht auf sie entsprechend mäßigend einwirken.“ Er wolle den „Kampf“ gegen Rechts jederzeit unterstützen, schrieb der ehemalige Polizeidirektor, jedoch „nicht zusammen mit dieser Frau“.

Das Bündnis reagierte mit einem offenen Brief umgehend auf Dietschs Kritik und erklärte darin, dass es geschlossen hinter seiner Sprecherin stehe. Als Aushängeschild des BgR mache sich Ruth Brenner angreifbar und schütze dadurch auch andere Mitglieder vor Angriffen und Anfeindungen, heißt es in dem Brief. Alle Entscheidungen seien von den Mitgliedern gemeinsam getroffen worden. Brenner trage sie als Sprecherin nur nach außen. „Wir werden uns durch solche Äußerungen nicht spalten lassen“, teilte das Bündnis mit.

Fürths OB Jung hat Respekt vor der Arbeit der Antifaschisten

Erst am vergangenen Mittwoch war es erneut zu einer Auseinandersetzung gekommen. Ein Bündnisvertreter alarmierte die Polizei, weil ihn ein Neonazi bedroht haben soll. Diese schickte jedoch keinen Streifenwagen, sondern empfahl ihm, Anzeige zu erstatten. Nach heftiger Kritik von Seiten des BgR räumte die Polizei Fehler ein: „Der Vorfall wurde von der Einsatzzentrale bedauerlicherweise zunächst falsch eingeschätzt“, sagte ein Sprecher. Der tatverdächtige Neonazi sei inzwischen festgenommen und verhört worden.

Für Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) ist die Kritik des Bündnisses an der Polizei eine „überflüssige Randdiskussion“. Obwohl er einzelnen BgR-Vertretern mehr Gelassenheit wünscht und Bereitschaft, die Polizei als Partner anzusehen, hat er großen Respekt vor der Arbeit der Antifaschisten.

Für die Stadt sei dieses Engagement „ein unverzichtbarer Punkt“, um den Einzug der BiSF ins Rathaus zu verhindern.

Auch eine persönliche Begegnung macht dem Oberbürgermeister Mut, dass der BiSF der Weg in den Fürther Stadtrat versperrt bleiben wird: Vor etwa zwei Wochen sprachen BiSF-Aktivisten eine ältere Dame vor dem Rathaus an. Als OB Jung zu der Gruppe stieß, sagte sie zu ihm: „Wenn sie (die Aktivisten) es erlebt hätten damals, dann wären sie nicht so dumm und würden hier stehen.“ Auch wenn Jung keine Entwarnung geben will – Erlebnisse dieser Art sowie das Engagement des Bündnisses stimmen ihn hoffnungsfroh: „Diese Stadt, die den jüdischen Bürgern viel zu verdanken hat, wehrt sich.“

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