Gemeindebrauhäuser in Nordbayern pflegen alte Traditionen

23.4.2014, 09:04 Uhr
Gemeindebrauhäuser in Nordbayern pflegen alte Traditionen

© dpa

In dem großen Brau­kessel schwappt eine dünne braune Brühe mit Malzklumpen. Es ist sieben Uhr morgens, das Holzfeuer im Ofen brennt seit etwa drei Stunden und bringt den optisch noch wenig anspre­chenden Biersud gerade auf Touren. „Im Moment ist das eher eine Dreck­brühe, später pappt das richtig“, sagt Thomas Bretscher, während er mit ei­nem Holzstab im Kessel rührt.

„Früher haben die Bauern am Ende etwas Sud auf die Bank geschüttet und sich mit der Lederhose draufge­setzt – wenn die kleben blieb, war er stark genug.“ An drei Samstagen im Jahr heizen die Hobbybrauer im 1000-Einwohner-Ort Thundorf (Kreis Bad Kissingen) den 2900 Liter fassenden Kessel an und führen damit eine jahr­hundertealte Tradition fort. Sie betrei­ben eines der letzten sogenannten Ge­meindebrauhäuser, die früher vor al­lem in Nordbayern weit verbreitet wa­ren. „Weil’s Bier gut ist“, sagt Bret­scher.

Das einst herrschaftliche Brauhaus wurde erstmals 1551 erwähnt und 1816 von der Gemeinde gekauft. Die örtlichen Braurechtler produzierten dort gemeinsam ihr eigenes Bier. „Das war ein Grundnahrungsmittel“, er­klärt Hobbybrauer Bretscher. „Nach dem Krieg haben sich zwei Bauern­familien einen Sud geteilt – da wurde nichts anderes getrunken.“ Heute darf jeder mitbrauen und muss auch keine eigene Gerste mehr mitbringen, bis zu 200 Liter pro Person und Jahr sind steuerfrei. „Das sind meist Leute, die sich dafür interessieren und die nicht einfach in den Getränkemarkt gehen wollen.“ Der deutsche Brau­markt ist durch einen Rückgang des Absatzes, die Konzentration auf weni­ge Großbrauereien und eine Grün­dungswelle an Gasthausbrauereien ge­prägt. Zwei Prozent der Braustätten stellen inzwischen mehr als 60 Pro­zent des Biers her, zugleich gab es ei­nen großen Zuwachs von Kleinbraue­reien mit sehr geringem Ausstoß. Da­neben besteht eine Szene von Privat­leuten, die für den Eigenbedarf produ­zieren.

Vor diesem Hintergrund beobachtet der unterfränkische Bezirksheimat­pfleger Klaus Reder auch ein neues In­teresse an der alten Tradition der Ge­meindebrauhäuser: „Es gibt einen ge­wissen Trend, dass man diese Kom­munbrauhäuser wiederbelebt“, sagt er. So erst kürzlich passiert in Höch­städten im Landkreis Haßberge.

Beim Brauen setzen die Thundorfer auf ihre jahrelange Erfahrung. Zu­nächst mischen sie Gerstenmalz mit warmem Wasser, dann erhitzen sie es im Sudkessel unter Rühren – stunden­lang. „Du brauchst auf jeden Fall nicht ins Fitnessstudio, wenn du ge­rührt hast“, sagt Braumeister Egon Klöffel. Später werden die Getreide­reste herausgefiltert, dann kommt der Hopfen dazu und die sogenannte Wür­ze wird gekocht.

Bezirksheimatpfleger Klaus Reder erklärt die Gemeindebrauhäuser auch mit den früher in Nordbayern übli­chen Erbfolgeregeln. In Franken sei der Besitz zwischen allen Nachkom­men aufgeteilt worden. „Das hat dazu geführt, dass man sich gut verstehen musste und viel zusammen gemacht hat“, sagt er.
Noch in den 1950er Jahren habe es allein im Zollamtsbezirk Schweinfurt 51 Gemeindebrauhäuser gegeben, er­zählt Hobbybrauer Klöffel, der auch Vorsitzender des Fränkischen Haus­brauerverbandes ist. Heute seien in Unterfranken noch 14 Gemeindebrau­häuser in Betrieb, in Oberfranken vier. In der Oberpfalz brauen Kom­munbrauhäuser in fünf Orten das so­genannte Zoigl-Bier, das in der Regi­on allerdings offensiver vermarktet wird als das Gebräu der fränkischen Kollegen.

Das Thundorfer Bier ist nach wie vor vor allem „für die Leut'“, wie Klöf­fel sagt – und für den gelegentlichen Besenausschank. Zwölf Stunden dau­ert es, bis der Sud fertig ist und in ei­ner großen Wanne auskühlt. Später kommt er mit Hefe in den Gärtank. Das obergärige Bier hat später etwa 5,4 Prozent Alkohol und ist betont malzig. „Jeder Sud schmeckt ein we­nig anders“, sagt Bretscher, und er­gänzt lachend: „Aber bisher hat man es immer trinken können.“
 

Im Verlag Nürnberger Presse sind zwei umfassende Buchtitel für Bier­freunde erschienen: „Brauereien und Brauereigasthöfe in Franken“ sowie „Bierkeller und Biergärten in Franken“. Beide Werke des Autorenduos Basti­an Böttner und Markus Raupach sind allen Geschäftsstellen des Verlages und im Buchhandel erhältlich oder hier be­stellbar.

1 Kommentar