Gezielter Abschuss von Wölfen ist schon jetzt möglich

10.1.2017, 06:00 Uhr
Gezielter Abschuss von Wölfen ist schon jetzt möglich

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Die Tötung von Wolf "Kurti" am 27. April 2016 im niedersächsischen Heidekreis markierte eine Zäsur. Zum ersten Mal seit über hundert Jahren wurde in Deutschland wieder ein Wolf geschossen – oder "letal entnommen", wie das Amtsdeutsch heißt. Im Nachgang um den Vorfall wurde sogar prozessiert – doch die Tötung des streng unter Naturschutz stehenden Tieres war rechtens. Warum?


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"Solche Sonderabschüsse sind sowohl durch das EU-Recht als auch das Bundesnaturschutzgesetz klar definiert", erläutert Wolfsexperte Hierneis: "Die Entnahme eines Wolfes ist in folgenden Fällen denkbar", zitiert Hierneis aus dem Gesetzestext: "Zur Abwendung erheblicher Land-, Forst-, Freiwasser- und sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt." Dabei müsse es sich schon um wiederholte und schwere Schäden handeln.

Wolf Kurti wurde 2016 – ebenso wie Jahre zuvor bereits dem Problembären "Bruno" – aber ein weiterer Passus des Gesetzes zum Verhängnis. Darin geht es um "das Interesse der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit".

"In dem Moment, wo sich ein Tier vermehrt auffällig dem Menschen nähert oder sich sogar an Spielplätzen herumtreibt – dieses Verhalten nennt man 'habituiert' – kann das Landratsamt eine Sonderabschussgenehmigung erteilen", erklärt Hierneis. Aber auch das von Minister Schmidt entworfene Szenario der "wölfischen Einwanderung" durch Rudel sei bereits geregelt, versichert Hierneis: Ein Abschuss könne auch erfolgen "aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art". Hier sei immer eine Einzelfallbetrachtung heranzuziehen, aber dieser Passus sei eben genau auf Probleme durch ein Wolfsrudel gemünzt.

Prävention wird kaum unterstützt

Dem gegenüber steht aber die sogenannte FFH-Richtlinie der EU, die einen "günstigen Erhaltungszustand einer Population" innerhalb einer bestimmten Region vorsieht – auf Deutschland heruntergerechnet wären das laut Hierneis sogar rund 1000 Individuen. "Wir fordern diese Zahlen selbstverständlich nicht. Aber eigentlich müsste man auf eine stabile Population in diesem Sinne hinarbeiten und mit den rund 300 Wölfen in Deutschland leben lernen, statt jetzt schon regulatorisch eingreifen zu wollen."

Dazu zählen präventive Maßnahmen und die Regelung von Ausgleichszahlungen, die laut Hierneis dringend in Stufe zwei des Wolfsmanagementplans eingearbeitet werden müssen. "Auch wir wollen, dass die Nutztierhalter besser vor Wolfsschäden geschützt werden", sagt Hierneis. Mögliche Maßnahmen seien hier zum einen Elektrozäune, die sich auch im Braunbär-Revier bereits bewährt hätten, sowie zum anderen der Zugang zu Herdenschutzhunden – deren Ausbildung teuer ist, wie auch Hierneis weiß. "Aber dass der Freistaat nicht bereit ist, in Prävention zu investieren, stimmt mich in Anbetracht der wachsenden Wolfspopulation pessimistisch."

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