Grünen-Politiker Hartmann überrascht von Söders Offenheit

20.10.2018, 06:00 Uhr
Im TV-Duell vor der Landtagswahl fetzten sich Markus Söder (links) und Ludwig Hartmann noch. In den Koalitionsverhandlungen haben die beiden Politiker jetzt aber offenbar ein neues Vertrauensverhältnis aufgebaut.

© Sven Hoppe, dpa Im TV-Duell vor der Landtagswahl fetzten sich Markus Söder (links) und Ludwig Hartmann noch. In den Koalitionsverhandlungen haben die beiden Politiker jetzt aber offenbar ein neues Vertrauensverhältnis aufgebaut.

Herr Hartmann, die Grünen haben ihren Stimmenanteil in Bayern auf 17,5 Prozent mehr als verdoppelt. Trotzdem landen Sie wohl in der Opposition. Was bringt Ihnen der Wahlerfolg dann überhaupt?

Ludwig Hartmann: Wir haben jetzt 38 statt vorher 18 Abgeordnete. Das ist ein gewaltiges Pfund, damit haben wir eine enorme Schlagkraft bekommen und können auch draußen in der Fläche als Grüne so präsent sein wie noch niemals zuvor. Obwohl ich schon zuvor für München in den Landtag gewählt wurde, hatte ich mein Regionalbüro bewusst in Weilheim im Oberland. Wir wollen gezielt auch auf dem Land Strukturen aufbauen, um dort künftig ähnliche Erfolge zu erzielen wie jetzt schon in den Städten.

Gerade auch die politische Konkurrenz kritisiert an den Grünen oft, dass sie vor allem eine Partei für die Reichen, Gesättigten sei, die es sich leisten können, die Grünen zu wählen, weil sie keine existenziellen Sorgen haben.

Hartmann: Wenn wir uns für ein gutes Bus- und Bahn-Angebot in Bayern einsetzen, dann ist das vor allem für die, die in ländlichen Regionen abgehängt sind, statt für den, der zwei teure Autos in seiner Garage stehen hat. Wir wollen gerade auch die Grundschulen stärken, um für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. Natürlich haben wir auch eine Wählerklientel, die Geld hat. Die kann sich Nachhilfe für ihre Kinder leisten. Aber auch die anderen müssen dieselben Bildungschancen haben.

Markus Söder und Horst Seehofer sagen jetzt selbst, dass die CSU ökologischer werden muss. Haben Sie Angst, dass Ihnen die CSU Ihre Themen wegnimmt?

Hartmann: Da habe ich wenig Bedenken. Bei Sonntagsreden ist die CSU für den Naturschutz, am Montag wird betoniert. Das hat man auch bei den Sondierungsgesprächen gemerkt: Bei den Zielen im Umweltschutz war man sich einig, aber durch freiwillige Maßnahmen ist da in den letzten zehn Jahren nichts vorangegangen. Wenn man ein Ziel erreichen will, muss der Gesetzgeber auch Vorgaben machen. Durch Vorgaben sind jetzt unsere Flüsse so sauber, haben die Autos Katalysatoren und die Kühlschränke kein FCKW mehr.

Und die CSU scheut sich vor solchen Vorgaben?

Hartmann: Ja, da fehlt ihnen der Mut. Wenn man merkt, dass etwas total aus dem Ruder läuft, muss man aber bereit sein, wirklich etwas zu ändern. Aber in den Sondierungsgesprächen war die CSU nicht einmal bereit, die 10H-Regelung für die Windkraft, die den Ausbau in Bayern komplett gestoppt hat, etwas zu lockern.


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Waren die Gespräche mit der CSU also von vornherein zum Scheitern verurteilt?

Hartmann: Nein. Wenn man noch ein- oder zweimal miteinander gesprochen hätte, hätte man im Umweltbereich sicher einen Weg gefunden. Bei der inneren Sicherheit wäre es natürlich schwieriger gewesen, aber auch möglich. Klar wäre das die schwierigste und wildeste Ehe der deutschen Politik gewesen, aber mit etwas Mut hätte man das Beste aus beiden Welten, aus Ökonomie und Ökologie, miteinander verbinden können. Bei den Themen ÖPNV und Ausbau der Kinderbetreuung zum Beispiel waren wir uns total einig.

Inwiefern hatten Sie das Gefühl, dass die Koalitionsfrage schon vor dem Gespräch weitgehend entschieden war?

Hartmann: Ich bin überzeugt, dass speziell Markus Söder vorbehaltlos in das Gespräch mit uns gegangen ist. Ich war geradezu überrascht von seiner Offenheit. Da ist auch ein neues Vertrauensverhältnis zu Markus Söder entstanden. Aber die CSU muss eben den Mut haben, auch einmal etwas Unbequemes zu beschließen, um die Ackergifte, den Nitrateintrag oder den Flächenfraß in den Griff zu bekommen. Irgendwann funktioniert es allein mit freiwilligen Maßnahmen nicht mehr.

Das komplette Interview mit Ludwig Hartmann lesen Sie in der Samstagsausgabe der Nürnberger Nachrichten.

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