Alzheimer: Austausch in Gunzenhausen

23.2.2019, 06:05 Uhr
Alzheimer: Austausch in Gunzenhausen

© Patrick Pleul/dpa

Eigentlich ist es nur ein ganz kleiner Raum. Und eigentlich sitzen da auch nur ziemlich wenig Menschen. Eigentlich ist alles also ziemlich unspektakulär. Eigentlich. Denn in diesem Raum verbergen sich jede Menge Schicksale, jede Menge Geschichten und vor allem ziemlich viel Kraft. Seelische Kraft. In jenem kleinen Raum findet gerade das Angehörigentreffen der Alzheimer Gesellschaft Gunzenhausen statt.

Eine Auszeit nehmen, entspannen, die Geschichten anderer hören, sich ermutigen und austauschen. Das ist das Ziel dieser Veranstaltung, die einmal im Monat im Familienzentrum Sonnenhof der Stiftung Hensoltshöhe in der Lindleinswasenstraße stattfindet. Schwester Sieglinde Porst spricht an diesem Tag über "sinnvolle Alltagsaktivitäten" und Elfriede Rossmanith und Irmgard Rupp hören gespannt zu. Die beiden sind zwei dieser Menschen, die hier auftanken wollen und auch sie haben eine Geschichte zu erzählen. Eine traurige Geschichte.

Seltsame Fragen

Es war die Fahrt zur Beerdigung des eigenen Vaters, als Irmgard Rupps Mutter plötzlich immer wieder komische Fragen stellte. Auf der sieben Kilometer langen Strecke zum Friedhof fragte die Mutter, damals 78 Jahre alt, zigmal, wo man denn eigentlich hinfahre. "Da ist es mir zum ersten Mal aufgefallen, dass etwas nicht stimmt", erinnert sich Rupp. Es waren die ersten Anzeichen einer Alzheimer-Erkrankung, die sich in den letzten sechs Jahren weiter bemerkbar machte. Und mit der sich Irmgard Rupps Leben schlagartig veränderte. Rupp hat noch einen Bruder mit Schizophrenie, sie versuchte fortan alles unter einen Hut zu bekommen. Den Bruder, die Mutter, den Bauernhof. Und die eigene Gefühlswelt. Sie kümmerte sich. Bruder und Mutter leben nun in ihrer alten Dachgeschosswohnung, nur ein paar Meter weg von ihr, so dass sie immer für sie da sein kann. Komisch sei es manchmal schon, sagt Rupp. "Manchmal bin ich die Schwester, manchmal die fremde Frau und manchmal siezt mich meine Mutter auch."

Die Freundschaften blieben dadurch ein wenig auf der Strecke, aber das Angehörigentreffen gibt ihr Kraft. Hier hat sie das Gefühl, verstanden zu werden. "Mit Menschen zu sprechen, die es selbst betrifft, ist einfach wunderbar", sagt Rupp. Und irgendwie bekommt man es dann doch alles irgendwie hin. Das Leben muss ja weitergehen. "Im Großen und Ganzen geht es jetzt."

Auch Elfriede Rossmanith hat ihre veränderte Lebenssituation mittlerweile angenommen. "Das ist jetzt meine Aufgabe. Am Altar hat man sich versprochen: In guten wie in schlechten Zeiten", sagt die 79-Jährige. Und dass die Zeit mit ihrem Mann nach seiner Alzheimer-Erkrankung nun schlecht sei, davon will Rossmanith auch nichts wissen. "Es ist eben anders", erklärt sie. Auch wenn sie nicht leugnen kann, dass es momentan schon ziemlich hart ist. "Wenn man mit ihm spricht und dann kommt einfach gar nichts, ist das schon schwierig." Trotzdem freut sie sich jedes Mal noch so wie früher, wenn ihr Mann nach seinem Aufenthalt in der Tagespflege, zu der er viermal die Woche geht, unten an der Tür steht.

Seit mittlerweile 59 Jahren sind die beiden verheiratet. An ein Heim möchte Rossmanith nicht denken. "Ich bin so froh, dass ich ihn noch habe", betont sie. Und es gibt ja trotz allem immer wieder lichte Momente. Am Valentinstag habe sie ihm beispielsweise einen Blumenstrauß geschenkt. "Als ich gesagt habe, den schenk ich dir, da hat er gestrahlt." Ein anderes Mal habe sie ihn an der Wange gestreichelt und gefragt, ob er sie eigentlich noch liebe. "Ganz arg" habe er dann geantwortet. "Ist das nicht schön?", fragt Rossmanith. Man freut sich wieder über die ganz kleinen Dinge. Und über Angebote wie das Angehörigentreffen, zu dem sie nur gehen kann, weil ihre Verwandtschaft sie unterstützt. "Mir tut das gut. Es zeigt, dass man nicht alleine auf der Welt ist. Ich vereinsame ja sonst auch", sagt Rossmanith.

Bürokratie meistern

Dass das Treffen ankommt, freut auch Martha Rothfuß, die stellvertretende Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Gunzenhausen. "Man sagt ja, Demenz ist eine Krankheit der Angehörigen". Diese hätten oftmals noch mehr zu leiden als die Betroffenen selbst und müssten sich plötzlich um viele bürokratische Dinge kümmern, berichtet Rothfuß. Aber auch die Tatsache, dass man von den engsten Verwandten plötzlich nicht mehr erkannt wird, sei emotional sehr belastend.

"Es passieren aber auch immer wieder ganz witzige Sachen. Es ist nicht immer nur alles traurig", so Rothfuß. Einmal habe sich ein Mann plötzlich im Pflegezentrum entkleidet. Man habe ihn freundlich aber bestimmt darauf aufmerksam machen müssen, dass man das nicht machen könne. Eine Frau, die nichts von seiner Krankheit wusste, sei völlig aufgelöst gewesen, diese habe man schnell beruhigen können. Und der Mann? Reagierte ziemlich locker: "Achso, ich dachte in diesem Lokal wäre das erlaubt", habe er nur gesagt. Am Ende war wieder alles gut.

Auch beim jüngsten Angehörigentreffen wurde viel gestrahlt und gescherzt. Denn einig sind sie sich hier, in diesem kleinen Raum voller Geschichten und Schicksalsschläge, alle: Unterkriegen lässt man sich von der Krankheit nicht.

Das Angehörigentreffen der Alzheimer Gesellschaft Gunzenhausen und Umgebung findet einmal im Monat (15.30 Uhr – 17 Uhr) im Familienzentrum Sonnenhof statt. Der nächste Termin ist der 20. März. Dort geht es um das Thema "Heimeinzug – leicht gemacht!?". Weitere Informationen unter alzheimergesellschaft-gun@klinikum-altmuehlfranken.de

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