Daniel Burmann schreibt Chronik wider das Vergessen

8.12.2017, 09:47 Uhr
Daniel Burmann schreibt Chronik wider das Vergessen

© Fotos: privat

In dreijähriger akribischer Arbeit hat der 39-jährige Polizeioberkommissar aus Markt Berolzheim die Lebensläufe der Kriegsteilnehmer aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Mit vielen Bildern und Dokumenten hat er ein Jahr vor dem Jahrestag des Kriegsendes auf 425 Seiten ein umfangreiches Werk nun der Öffentlichkeit präsentiert. Es sind die Geschichten der einfachen Soldaten, die nicht, wie es oft in den Geschichtsbüchern steht, mit "Hurra" in den Krieg gezogen sind.

Wie beispielsweise die von Karl Hertlein, der im September 1915 mit "schwerem Herzen", wie die Chronik berichtet, seine Familie verlassen musste. Der Krieg tobte schon ein Jahr. Die ersten Nachrichten von Gefallenen hatte die Gemeinde verkraften müssen. Der 37-jährige Karl Hertlein, von Beruf Tagelöhner, lebte mit seiner Frau Anna Katharina und den zwei Söhnen in der heutigen Straße am Schloßhof 4 in Markt Berolzheim. Drei Jahre diente er, zuletzt war er beim bayerischen Armierungsbataillon in Nordfrankreich eingesetzt. Heute würde man es als Pionierbataillon bezeichnen.

Daniel Burmann schreibt Chronik wider das Vergessen

© Foto: M. Lettenmeier

Während bei einigen Gefallenen, nicht die Umstände oder die letzten Tage und Stunden ihres Lebens bekannt sind, ist es bei Karl Hertlein anders. Sein Vorgesetzter machte sich die Mühe, an den Bruder Michael Hertlein einen Brief zu schreiben, der den Weg in die Kriegschronik fand und die letzten Stunden von Karl Hertlein erzählt: "Die Kompanie lag in Beaudignies (in Nordfrankreich nicht weit von der belgischen Grenze), am Ortseingang unter schwerstem Feuer. Über Nacht flogen die Granatsplitter auf das Dach unseres Hauses. Mittags gegen vier Uhr am 17. Oktober 1918 kamen ihr Bruder und der Gefreite Göbel zu mir feldmarschmäßig bepackt. Ich fragte: "Was denn los sei?" Darauf sagten sie: "Sie ziehen aus, es sei ihnen zu gefährlich." Ich bin dann mit diesen beiden zusammen die Ortsstraße hinaufgegangen. Ich links, Göbel in der Mitte und ihr Bruder rechts, als plötzlich eine 15 Zentimeter Granate geflogen kam. Göbel wurde total zerrissen, ihr Bruder erhielt Splitter, die ihm den rechten Oberarm und die rechte Hand zerschmetterten. Er ist abends um acht Uhr 45 im Lazarett seinen schweren Verwundungen erlegen."

Der Krieg war am 11. November 1918 zu Ende. Der Berolzheimer Familienvater starb knapp vier Wochen vorher. Insgesamt ließen 48 Männer aus dem Ort in diesem schrecklichen Krieg ihr Leben.

Daniel Burmann hat die Lebensläufe und Schicksale von allen 225 Kriegsteilnehmern in seinem Buch dokumentiert. Der Polizeibeamte hat sich schon seit seinem Studium für Geschichte interessiert. Zuerst begann er die Historie seiner Ahnen zu erforschen. Mehr aus Zufall stieß er dabei auf die Kriegschroniken von Markt Berolzheim, die die damaligen evangelischen Pfarrer aufgeschrieben hatten.

Kriegschroniken der Pfarrer

Zur Zeit des Ersten Weltkrieges gab es in dem damaligen 1050 Einwohnerort Markt Berolzheim noch zwei evangelische Gemeinden mit zwei Geistlichen. Beide Pfarrer dokumentierten die für die betroffenen Gemeindemitglieder so einschneidenden Lebensereignisse. Besonders hilfreich für die Arbeit von Daniel Burmann war die ausführliche Kriegschronik von Pfarrer Theodor Kleinknecht, der von 1925 bis 1932 an der Gemeinde St. Michael wirkte. Er verfasste im Jahr 1926 eine ausführliche Kriegschronik für Markt Berolzheim. Daneben waren noch die Kriegsstammrollen und viele persönliche Dokumente und Bilder von Verwandten und Angehörigen hilfreich.

Erinnerung wahren

Was war sein Hauptmotiv sich an diese schwierige Zeit zu wagen und sie nicht zu einem versteckten Heldenepos werden zu lassen? Daniel Burmann möchte, dass diese Zeit und die Schicksale nicht in Vergessenheit geraten. Vor allem die junge Generation soll die Zeit aus der Sicht der Menschen vor Ort kennenlernen. Auf den Gedenktafeln werden die Gefallenen oft als Helden bezeichnet. "Doch wenn man die Fakten auflistet und die Geschichten der Gefallenen erzählt, dann ist es kein Heldenepos mehr, sondern dann ist das eine reine Katastrophe", betont Daniel Burmann.

Schicksale weiter verfolgt

Ein besonders erschütterndes Kapitel ist die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Markt Berolzheim. 1910 lebten in dem Altmühlflecken 67 jüdische Mitbürger. Von ihnen wurden 22 als Soldaten im Ersten Weltkrieg einberufen. Fünf von ihnen kehrten nicht zurück, darunter der erste Markt Berolzheimer gefallene Soldat Benjamin Herz, der zehn Tage nach Kriegsbeginn am 11. August 1914 in Lothringen starb. Daniel Burmann hat nicht nur ihre Geschichte und Erlebnisse im Krieg nachgezeichnet, sondern auch ihre Geschichte in der Weimarer Republik und der NS-Zeit weiter verfolgt. Geholfen hat ihm dabei auch der Kontakt zu Lynn Herz, einer unmittelbaren Nachfahrin der Berolzheimer Familie Herz. Lynn Herz lebt heute in Florida in den USA. Daniel Burmann war beeindruckt und erschüttert von den Schicksalen. Nur wenige der Berolzheimer Juden, deren Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 zerstört wurde, überlebten den Holocaust.

Daniel Burmann schreibt Chronik wider das Vergessen

Dankbar ist der Autor, dass ihm seine Familie bei diesem Projekt so großartig unterstützt hat. "Ohne sie wäre es nicht möglich gewesen", in unzähligen Stunden hunderte von Dokumenten zu sichten und auszuwerten. Die erste Resonanz auf das Buch bei der öffentlichen Präsentation freute Daniel Burmann sehr.

Interessierte können die "Kriegschronik für Markt Berolzheim 1914-1918" bei der Raiffeisenbank Markt Berolzheim, der Steuerkanzlei Burmann, bei Daniel Burmann und auf dem Markt Berolzheimer Weihnachtsmarkt am Sonntag, 10. Dezember, ab 15 Uhr für 35 Euro erwerben. Der Weihnachtsmarkt findet dort statt, wo auch ein Teil der Geschichte des Ersten Weltkriegs spielt: In der Mitte des Orts am 1923 errichteten Kriegerdenkmal. Es soll der Erinnerung dienen, an eine Zeit, die vielen Familien in Markt Berolzheim viel Leid und Unglück gebracht hat.

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