Drama in Gunzenhausen: Wie konnte es so weit kommen?

28.6.2018, 06:23 Uhr
Der Vater war bereits vor der grausamen Tat bei der Polizei bekannt.

© Wolfgang Dressler Der Vater war bereits vor der grausamen Tat bei der Polizei bekannt.

Weshalb wurde der den Behörden einschlägig bekannte Mann nicht in Haft genommen, nachdem er wenige Tage vor der Tat seinen Kindern gegenüber gewalttätig geworden war?

Verbale Drohungen und Ohrfeigen reichen laut einer Polizeisprecherin nicht dafür aus, jemanden verhaften zu können. Obwohl der Mann wohl regelmäßig Frau und Kinder misshandelt hatte, waren offenbar bis zur Tat nur zwei einschlägige Vorfälle bei den Behörden dokumentiert.

Was genau hatte sich der Täter belegbar vor den mutmaßlichen Morden zuschulden kommen lassen?

Vor fünf Jahren erhielt der heute 31-Jährige einen Strafbefehl, weil er damit gedroht hatte, seine beiden Söhne zu töten, sollte sich seine Frau von ihm trennen oder scheiden lassen. Wenige Tage vor der tatsächlichen Tat ohrfeigte der Mann offenbar seine Jungen brutal.

Es existieren Fotos, die von Schlägen stammende Rötungen im Gesicht der Kinder zeigen. Seine Frau erwirkte daraufhin bei der Polizei ein Kontakt- und Näherungsverbot gegen ihn. Dieses sollte am Tattag gerichtlich bestätigt werden. Das ausgesprochene Verbot missachtete der Mann.

Wie haben Polizei, Jugendamt und Frauenhaus von dem gewalttätigen Übergriff auf die Kinder kurz vor der Tat erfahren?

Die Schwester der Mutter sah die von der Mutter gemachten Fotos, die bei den Kindern Spuren von Misshandlungen zeigten, und verständigte die Polizei. Die Beamten befragten Mutter und Kinder. Diese bestätigten jeweils die Schläge. Einen Tag vor der Tat erstattete die Mutter Strafanzeige gegen ihren Mann, das erste Mal überhaupt. Atteste von Ärzten, die frühere Misshandlungen zeigen könnten, existieren wohl nicht. Die Polizei informierte Jugendamt und Frauenhaus.

Wie konnte sich der Mann trotz ausgesprochenen Kontakt- und Näherungsverbots in den Tagen vor der Tat – ohne spürbare Konsequenzen – seiner Familie nähern?

Nur bei seinem ersten Verstoß gegen das Verbot verständigte die Ehefrau die Polizei. Diese kam und belehrte den Mann, dass er in Gewahrsam genommen werde, wenn er sich erneut nähern würde. Er zeigte sich vordergründig einsichtig, hielt sich aber offenbar weiter in der Nähe der Familie auf. Die Polizei wurde vor der Tat nicht noch einmal gerufen.

Kann die Polizei jetzt nicht früher präventiv einschreiten? Schließlich können Beamte nach dem novellierten Polizeiaufgabengesetz (PAG) bereits tätig werden, wenn sie Hinweise auf eine "drohende Gefahr" für Leib und Leben haben.

Das PAG kommt laut einer Polizeisprecherin bei häuslicher Gewalt eher nicht zum Tragen. Mit dem Gewaltschutzgesetz von 2002 sollen die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten der Opfer häuslicher Gewalt gestärkt und Täter stärker zur Verantwortung gezogen werden. Das Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass Opfer Ansprüche auf die Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung bei Gericht geltend machen können.

Welche Strafen drohen bei häuslicher Gewalt?

Obwohl sie kein eigener Straftatbestand ist, stellen fast alle Formen häuslicher Gewalt jedoch Handlungen dar, die gesetzlich mit Strafe bedroht sind, seien es Körperverletzungs- oder Tötungsdelikte. Häusliche Gewalt, die meist von Männern ausgeht, entsteht in der Regel nicht aus einer konkreten Situation heraus. Sie gilt vielmehr als Ausdruck eines andauernden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Täter und Opfer. Und, auch das betont das Familienministerium in seiner Broschüre zum Thema: Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit.