Ein Klima des Vertrauens

3.9.2012, 15:49 Uhr
Ein Klima des Vertrauens

© Horst Kuhn

Im Drittelsaal der Stadthalle begrüßte Peter Bartl, Mitglied im Heimatausschuss Weipert, viele ehemalige Weiperter, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Auch zahlreiche Ehrengäste, unter ihnen Vertreter aus Vejprty, hieß er willkommen. Bartl leitete die Versammlung für Vorsitzenden Gerhard Scharf (Weißenburg), der aus familiären Gründen nicht teilnehmen konnte.
Bürgermeister Joachim Federschmidt erinnerte an das persönliche Leid, das die aus der Heimat vertrieben Menschen erfahren mussten. Es sei noch immer schwierig, mit der damaligen Geschichte umzugehen. Federschmidt äußerte Hoffnung und Zuversicht, dass die zwischen Weipert und Gunzenhausen bestehenden Kontakte weiterhin gepflegt werden.
Aus Vejprty war Bürgermeisterin Jitka Gavdunov angereist. Sie ist seit zehn Jahren das Oberhaupt des tschechischen Grenzstädtchens und bei den alljährlich stattfindenden Weiperter-Treffen immer mit dabei. Anhand zahlreicher Fotos erläuterte sie die bau­lichen Veränderungen innerhalb der Stadt in den

vergangenen Jahren und zeigte sich erfreut darüber, dass Vejprty wichtige Fördermittel zur Veränderung des Stadtbildes erhalten habe.
So konnte im Straßenbau einiges erledigt werden, Plattenbauten wurden saniert und das ehemalige Krankenhaus in ein modernes Pflegeheim umgebaut. Ihr besonderer Dank galt dem ebenfalls anwesenden Bürgermeisterkollegen Bernd Schlegel aus dem benachbarten deutschen Bärenstein für die gute und enge Zusammenarbeit, insbesondere beim Neubau der „gemeinsamen Mitte Bärenstein-Weipert“, eine Informations- und Begegnungsstätte für Deutsche und Tschechen. Gavdunov dankte auch dem Weiperter Heimatausschuss für die jährlichen Spenden, die unter anderem in die Baumaßnahmen zur Grundreparatur der Friedhofskapelle mit einfließen.
Auf die Entwicklung der Gemeinde Bärenstein ging anschließend Schlegel ein. Aktuell hat die Gemeinde 2443 Einwohner, mit Tendenz nach unten, denn nach wie vor sterben mehr Einwohner, als dass Neugeborene registriert werden. Wie so viele Gemeinden versucht deshalb auch Bärenstein, sich als Ort für junge Familien attraktiv zu machen, etwa mit der Ausweisung von Baugrundstücken zu erschwinglichen Preisen.
Bürgermeister Schlegel nutzte seine Grußworte ebenfalls, um den Mitgliedern des Heimatausschusses und allen ehemaligen Bewohnern von Weipert zu danken. Mit der Kontaktaufnahme zu ihrer alten Heimat, ihren versöhnenden Gesten und vielen lobenswerten Hilfsaktionen haben sie nach seinen Worten in erheblichem Maß dazu beigetragen, Ängste abzubauen und zwischen den Bewohnern beiderseits des Grenzbachs ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Dass das Schicksal der Weiperter sowie das Leid aller Sudetendeutschen niemals in Vergessenheit gerate, dazu soll der Bau der „gemeinsamen Mitte Bärenstein-Weipert“ mit Ausstellungen und historischen Informationstafeln beitragen.
Den Festvortrag hielt die Landtagsabgeordnete Christa Naaß, die vertriebenenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. In Erinnerung rief die Obererlbacherin, die auch Mitglied sowohl im sudetendeutschen Rat als auch im Stiftungsrat ist, dass 15 Millionen Deutsche während und nach dem Zweiten Weltkrieg durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat verloren haben. Zwei Millionen von ihnen, meist Alte und Kinder, überlebten den Marsch in den Westen nicht. Für die Zurückgebliebenen war das Leben nicht einfach, viele mussten jahrzehntelang Demütigungen über sich er­gehen lassen, die sie aus Scham verschwiegen.
Die Heimatvertriebenen haben laut Naaß trotz des Verlusts ihrer angestammten Heimat und der schlimmen Erlebnisse gezeigt, dass ein Neuanfang möglich ist. Mit Kraft, Mut und Energie hätten sie mitgeholfen, die Bundesrepublik und den Freistaat wieder aufzubauen und mit zu gestalten. Viele haben sich auch politisch engagiert und damit Verantwortung übernommen, so die Abgeordnete.
Das Wort Heimat erinnere an die Heimat der Eltern und Großeltern. Wer seine Heimat verloren habe, erfahre besonders, dass Heimat nicht nur ein Wort, sondern Grundlage der Existenz sei. Heimat gebe Halt und verleihe Identität. Für Naaß gilt es deshalb, aus der Geschichte zu lernen und diese den nachfolgenden Generationen zu vermitteln.
Musikalisch ausgestaltet wurde die Festveranstaltung durch die Gesangsgruppe „Hamitklang“ mit Birgit und Wolfgang Lenk aus Bärenstein (Gesang) sowie Jana Beyer aus Annaberg-Buchholz (Akkordeon). Nach dem Besuch­ der Gottesdienste in der katholischen Stadtpfarrkirche, wo die „Schubert-Messe“ zum Vortrag kam, und in der evangelischen Stadtkirche traf man sich zu einer kleinen Gedenkfeier am Ehrenmahl am Hindenburgplatz. Der Oberasbacher Posaunenchor intonierte dabei das „Feier­obnd“-Lied von Anton Günther Gottesgab, dem wohl bekanntesten Volksdichter und Sänger des Erzgebirges.

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