Ein Thema voller Brisanz

11.12.2014, 18:00 Uhr
Ein Thema voller Brisanz

© Peter Leykamm

Der Referent des Abends, zu dem der Verein „Kompass“ und die Kirchengemeinde eingeladen hatten, war sich der Brisanz natürlich bewusst. Es sei schön, dass es noch einige gibt, die nicht „schreiend Reißaus nehmen“, wenn besagtes Thema in den Fokus gerät, sagte der Pfarrer im Ehrenamt Günther Beck. Wie aufgeladen die Diskussion ist, hörte er selbst kürzlich im Zug. Mit den Worten: „Ich bin Muslim, aber normal“, wollte sich ein Glaubender von denen abgrenzen, die im Namen Allahs Angst und Schrecken verbreiten.
Beck selbst geht mit der Thematik relativ gelassen um. Der gebürtige Windsheimer hat sich nicht nur theologisch intensiv mit dieser Religion auseinandergesetzt, sondern auch ganz praktisch: Er lebte ein Vierteljahrhundert in Nordafrika, und bald zieht es ihn nach Frankreich. Trotzdem „lerne auch ich immer was Neues,“ berichtete er. Zum Beispiel, dass ein Muslim Wildschwein jagen und verzehren darf. Das sei „nur für die verboten, denen es nicht schmeckt“, hörte er kürzlich die Koranauslegung eines islamischen Waidmanns. Das habe er durch simples Nachfragen herausgefunden, erzählte der Geistliche.

Genau das sei auch sein Tipp. Nicht mit Vorbehalten Gespräche mit Muslimen beginnen, sondern „offene Fragen stellen“, empfahl er. Auch wenn man dann riskiert, die Antwort zu bekommen, die man hören will, weil das muslimische Gegenüber dadurch den Fragenden ehren wolle. Das habe in einer Schamkultur wie der muslimischen hohe Priorität. Davon gelte es sich aber nicht irritieren zu lassen. Es genügten schon einfaches Fragen nach religiösen Festen, um das Eis zu brechen.

„Den anderen zum Lehrer machen“, nannte Beck als Empfehlung. Dann fühle sich das Gegenüber akzeptiert, und als Fragender stehe man dabei selbst in allerbester Tradition, denn „die Evangelien der Bibel sind voller Fragen“. Beck folgerte daraus: „Wenn es sich unser Gott leisten kann, Fragen zu stellen, dann können wir uns das auch leisten.“ Ein falsches Entgegenkommen mache aber keinen Sinn, stellte der Pfarrer ebenso klar. In einem Film etwa ließ er den Westen durch die Brille eines Muslims betrachten, der monierte, dass die Christen keinen Respekt vor Gott hätten, weil sie in den Kirchen die Schuhe nicht auszögen. Es mache nun keinen Sinn, aus Respekt vor dem Muslim genau dies zu tun, sondern besser sei es, zu erklären, warum man die Fußbekleidung anbehält.

Der Film offenbarte zugleich große Übereinstimmungen zwischen den Religionen. Ein großer Unterschied bestehe aber in puncto „Vergebung“ – im Christentum ein zentrales Thema, im Islam nicht. Denn „in einer Schamkultur macht man keine Fehler, und wenn doch, gibt man sie nicht zu“, verdeutlichte Beck. Christen lebten zwar in einer Schuldkultur, doch falle es auch hier schwer, Schuld zuzugeben. Wenn Muslime aber an Christen sähen, dass sie Fehler eingestehen, dann wäre solches „ein Zeugnis für unseren Glauben“. Aber dazu „müssen wir erst einmal welche machen“, so Beck.

Auch im Umgang mit Misserfolg sei ein Unterschied festzustellen. Der Islam sei eine „Siegerreligion“. Hier sei Gott mit den Überwindern. So sei es auch nicht verwunderlich, dass Muslime Christen als „Schwächlinge“ betrachteten, wenn sie die Feindesliebe hochhielten. Im Christentum hingegen könne man mit Misserfolg umgehen, „und das tut der Welt gut“. Gerade deswegen auch gelte es, das Gespräch mit Muslimen nicht zu scheuen und eben offene Fragen zu stellen, die aber – auch im Sinne Jesu – gerne auch kritisch sein dürfen.

Auf dieser Grundlage hatte Beck, so erzählte er, einmal ein sehr tiefes Gespräch mit einem Muslim, bei dem er folgenden Vergleich anstellte. Das Christentum sei eine „Wirbeltier-Religion“, hier erführen die Gläubigen den Halt von innen durch die Wirbelsäule. Der Islam hingegen sei eine „Schalentier-Religion“. Hier würde der Glaube durch ein äußeres System gefestigt. Falle dieser Panzer weg, indem sich der Mensch etwa außerhalb des islamischen Umfelds bewege, laufe der Gläubige buchstäblich aus.

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