Flüchtlingshilfe Gunzenhausen: Der enge Kern macht weiter

30.8.2016, 07:00 Uhr
Flüchtlingshilfe Gunzenhausen: Der enge Kern macht weiter

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Immer noch sind unzählige Menschen auf der Flucht, kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Boot auf dem Mittelmeer kentert. Bis nach Deutschland aber schaffen es nur noch wenige und um die ehrenamtlichen Helferkreise ist es still geworden. Zu tun gibt es allerdings immer noch mehr als genug, erläutert Veronika Ortega von der Flüchtlingshilfe Wald.

Teilweise nur mit dem, was sie am Leib hatten, und Flip-Flops an den Füßen kamen die Menschen im Landkreis an, erinnert sich Veronika Ortega. Sie waren für kältere Temperaturen nicht ausgerüstet, brauchten dringend Kleidung, Schuhe, Mäntel, Mützen, Handschuhe. Es galt Arztbesuche, Behördengänge, Kindergartenplätze und Schuleinschreibungen zu organisieren, Deutschkurse anzubieten — im Sommer und Herbst 2015 war einfach Hilfe gefragt, direkt und sofort, um die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern mit dem Nötigsten zu versorgen.

Bis zu 50 Asylbewerber kamen damals laut Sozialamtsleiter Sebastian Münch wöchentlich in den Landkreis, allein für alle eine Unterkunft zu finden, war für die Mitarbeiter des Landratsamts Weißenburg-Gunzenhausen eine echte Mammutaufgabe.

Auch in Altmühlfranken war die Hilfsbereitschaft riesig, die Menschen boten bei Unterstützertreffen ihre Mitarbeit an, die extra eingerichteten Kleiderkammern quollen über. Gerne denkt Veronika Ortega beispielsweise an die Schulsachen-Aktion des BRK und der Pfadfinder zurück, die noch heute nachwirkt. Über 300 Rucksäcke mit jeweils einer Erstausstattung zum Schulbeginn wurden der Flüchtlingshilfe Wald übergeben. Kein Asylbewerberkind musste im vergangenen Jahr seine Schullaufbahn im Landkreis mit leeren Händen beginnen. Und noch heute rufen die Lehranstalten bei der Organisation an, wenn es Bedarf gibt.

Inzwischen registriert Münch mit vernehmbarer Erleichterung eine „sehr deutliche Entspannung“ der Situation. Nur wenn in den Gemeinschaftsunterkünften, wo die Asylbewerber für die Dauer ihres Anerkennungsverfahrens untergebracht sind, Plätze frei werden, kommen neue Flüchtlinge nach Altmühlfranken, manchmal über Wochen kein Einziger. Notunterkünfte wie die Mackenmühle sind längst geschlossen.

Undurchsichtige Formulare

Während Münch und seine Mitarbeiter also wieder zu Business as usual zurückkehren konnten, geht der Flüchtlingshilfe Wald die Arbeit nicht aus. Sie ist allerdings eine andere geworden. Heute haben es die Ehrenamtlichen hauptsächlich mit anerkannten Asylbewerbern zu tun. Die benötigen Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung, da sie aus den Unterkünften raus müssen, oder bei Behördengängen. Mit Formularen wie etwa dem Antrag für Arbeitslosengeld II tun sich ja schon Deutsche schwer, sagt Ortega, wie sollen das die Flüchtlinge alleine schaffen.

Eine große Aufgabe ist auch, den Menschen zu Arbeit zu verhelfen. Das allerdings sei gar nicht so einfach, denn viele der Geflüchteten „können den deutschen Arbeitsrhythmus nicht mithalten“. Das hat laut Ortega vielfältige Gründe, sie nennt unter anderem Sprachbarrieren, kulturelle Schranken, aber auch die auf der Flucht erlittenen Traumata.

Projekte, die dem Schritt in die Arbeitswelt vorgeschaltet sind, sollen hier Abhilfe schaffen. Ein solcher Puffer ist zum Beispiel der in enger Zusammenarbeit mit der Gunzenhäuser Firma Huber & Riedel angebotene Gabelstaplerkurs. Die Flüchtlinge bekommen theoretischen und praktischen Unterricht, am Ende des Kurses sollen sie nicht nur die Bedeutung von so schwierigen Wörtern wie Gabelstaplerführerschein kennen, sondern selbigen auch erworben haben.

Breite Unterstützerbasis

Ein weiteres Projekt ist das „Café mittendrin“, das am Dienstag, 6. September, seine Pforten öffnen wird. Es soll vor allem ein Ort sein, an dem sich Bürger, Urlauber, gebürtige Deutsche mit Migrationshintergrund und aktuell Geflüchtete treffen und austauschen können.

Dabei, unterstreicht Ortega, steht die Flüchtlingshilfe Wald nicht alleine da. Die Organisation arbeitet mit den verschiedensten Unterstützergruppen in der Region eng zusammen. „Die Vernetzung ist uns ganz wichtig“, sagt die 62-Jährige, es gelte, die Synergien zu nutzen und Gesicht zu zeigen.

Rund 100 Menschen kamen im September vergangenen Jahres zu einem ersten Koordinationstreffen für ehrenamtliche Helfer ins katholische Pfarrheim in Gunzenhausen. Längst nicht alle sind mehr dabei, doch mit aktuell 60 Aktiven verfügt die Walder Organisation dennoch über eine breite Unterstützerbasis.

Vom Hype mitgerissen

Die Arbeit mit Flüchtlingen kann an die Nieren gehen, denn die Menschen haben in ihrer Heimat und auf ihrem Weg nach Europa viele schlimme Erfahrungen machen müssen. Deshalb ist für Veronika Ortega die Motivation, warum jemand helfen möchte, so wichtig. Wer sich nur von dem damaligen Hype hat mitreißen lassen, der ist nicht lange geblieben. „Das waren Eintagsfliegen“, so Ortega. Es sind diejenigen, die sich aus tieferen, humanistischen Gründen engagieren, auf die sie heute noch zählen kann.

Dankbar ist Ortega, dass der Verein in Wald nach wie vor vollkommen anerkannt ist. „Da gibt es keine Probleme“, erklärt sie, auch die schrecklichen Attentate von Würzburg und Ansbach haben daran nichts geändert. Erschüttert von den Geschehnissen waren übrigens auch die hier lebenden Flüchtlinge. Um zu zeigen, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht, sie vielmehr friedlich in Deutschland leben möchten, verteilten die Asylbewerber anlässlich der Kirchweih in Muhr am See Blumen an die Bevölkerung.

Flucht, sagt Veronika Ortega, ist immer auch eine Erfahrung der Entwürdigung. Ihr Anliegen ist es, den hier angekommenen Menschen ihre Würde zurückzugeben. Wichtig ist der „Integrationspilotin“ dabei aber, dass die Geflüchteten nicht in neue Abhängigkeiten geraten, sondern ihr Leben hier möglichst schnell selbst in die Hand nehmen können. Denn: „Aus den Flüchtlingen sollen doch Mitbürger werden.“

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