Frustrierter Musik-Handwerker in Muhr am See

18.6.2018, 16:43 Uhr
Frustrierter Musik-Handwerker in Muhr am See

© Jürgen Eisenbrand

Der neue Intendant der Altmühlsee-Festspiele in Muhr am See steht in Patrick Süskinds Einakter selbst auf der Bühne, und er spielt den namenlosen, verbeamteten Musikarbeiter, der sein Instrument ebenso innig liebt, wie er es abgrundtief hasst, mit einer Wucht, die den Zuschauer beinahe körperlich mitreißt. Er lässt die innere Zerrissenheit des Sechzigjährigen, der so naiv-unglücklich in die junge Sängerin Sarah verliebt ist, nicht nur erahnen, sondern förmlich spüren; seinen Frust, seine Einsamkeit, sein Hadern mit der Welt (der Musik).

Anfangs noch schwärmt der reichlich abgerissen wirkende Musiker — nachlässig gekleidet in einen weit geöffneten, den Blick auf Feinripp-Unterhemd und Boxershorts ungeniert freigebenden Bademantel, die Bierdose stets fest im Griff — von seinem Instrument. Er sei der wichtigste Baustein eines Orchesters, "das Fundament", auf dem die gesamte Musik errichtet werde; er sei es, auf dessen Schultern es der jungen Sängerin demnächst gelingen werde, "groß herauszukommen".

Lustvoll dreht er in seiner schallisolierten Wohnung am Lautstärkenregler seiner Bassgeige, demonstriert ein "Forte", bei dem Frau im Stockwerk über ihm an die Zimmerdecke klopft, und ein "Fortissimo", bei dem normalerweise gleich mehrere Nachbarn anrufen.

"Mit Musik nichts zu tun"

Aber dann kippt die Stimmung, der eben noch gepriesene Kontrabass wird zur Inkarnation des Bösen: Ihn zu spielen sei ein "Kraftakt", der "mit Musik nichts zu tun" habe, er sei mehr ein "Hindernis als ein Instrument", immer stehe er "nur blöd herum, wie ein kranker Onkel, um den sich keiner kümmert". Wenn allerdings Gäste kämen, drehe sich alles nur um ihn, er schaue zu, wenn man intim werde, mache den Akt lächerlich, und deshalb sei er auch schuld daran, dass der Musiker "seit zwei Jahren keine Frau mehr hatte".

Man müsse sich den "Dreckskasten" doch nur anschauen: "ein grauenvolles Instrument", das aussehe wie "ein fettes, altes Weib", ein "Waldschrat", ein "hässliches Instrument", in dem kein schöner Ton stecke, auf dem niemand schön spielen könne — und für das es nur wenige Solokonzerte gebe, "alle von minderbegabten Komponisten".

Frustrierter Musik-Handwerker in Muhr am See

© Jürgen Eisenbrand

Molocher spielt den zutiefst Frustrierten, auf andere Musiker und deren Instrumente Eifersüchtigen, der sich in der Hierarchie des Orchesters "ganz unten" wähnt ("Niemand beachtet uns!"), mit einer punktgenauen Mischung aus Depression und Aggressivität. Und den unglücklich Verliebten, der es zutiefst verabscheut, dass sich die angehimmelte Sarah von teuren Gaststars in ebenso teure Restaurants einladen lässt ("Ekelhaft!"), so wohldosiert schräg, dass er stets eine tragische Figur bleibt — und nie zur Karikatur herabgewürdigt wird.

Am Ende tagträumt der Kontrabassist, dass er beim unmittelbar anstehenden Festkonzert — für das er endlich den Bademantel abstreift und sich in den Frack kleidet — der Angebeteten endlich lautstark und für alle sichtbar seine Liebe gesteht. Auch auf die Gefahr hin, seinen Beamtenjob zu verlieren oder von den Leibwächtern des Ministerpräsidenten erschossen zu werden: "Ich gehe jetzt in die Oper und schreie", sagt er. Und fügt nach mehreren Sekunden Pause hinzu: "Wenn ich mich traue."

Ob er sich tatsächlich traut, bleibt unklar. Völlig klar ist allerdings, dass man sich den "Kontrabaß" bei den Altmühlsee-Festspielen nicht entgehen lassen sollte.

Weitere Vorstellungen: Donnerstag, 21. Juni; Samstag, 30. Juni; Donnerstag, 5. Juli; Samstag, 14. Juli, jeweils 20 Uhr. Karten gibt’s – unter anderem – beim Altmühl-Boten (Marktplatz 47, Mo.-Do. 8-12, 13-17, Fr. 8-12, 13-16 Uhr)

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