Ganz entspannt im Schwarzbeerland

4.7.2015, 07:00 Uhr
Ganz entspannt im Schwarzbeerland

© Guthmann

Er verspricht Naturgenuss, Kulturer­lebnis und fränkische Lebensart auf 146 Kilometern. In einer kleinen Serie machen wir den Test, ob der seit Au­gust 2011 bestehende Rundwanderweg dem hohen Anspruch gerecht wird. Nebenbei geht es ums Wandern, um den immer neuen Entschluss loszulaufen, um Überraschendes und um Begegnungen am Rande der Strecke. Die sechste Etappe führt vom Kleinen Brombachsee zum Altmühlsee.

„Hans bleib do, du woaßt ja net, wiea’s Weda wird…“ – Ein altes Wirtshauslied geht mir beim Anblick des dunkelgrau verhangenen Seenlandhimmels durch den Kopf. Dafür bin ich heute am Startpunkt der sechsten Etappe beim Seeufer am Strandhotel Seehof und Seecamping Langlau sogar allein unterwegs. Eigentlich mag ich den Urlauber-Trubel hier sogar: Bei Sonnenschein treffen sich kinderreiche Camper mit gut betuchten Hotelgästen, und auch die Einheimischen wissen das etwas schattigere Gegenufer von Klein-Rimini bei Absberg zu schätzen.

Nach links führt der Weg in Richtung Altmühlüberleiter. Als technische Bezeichnung müsste man den Überleiter ja Kanal nennen, doch dank der Bepflanzung mit Busch und Baum vergisst man ja, dass es sich hier nicht um ein natürliches Gewässer handelt. Das Wegstück bis zur ersten Brücke in Höhe von Rehenbühl teilt man sich mit der Radfahrerschar, die den Radweg Brombachsee-Altmühlsee nutzt, und an diesem Abschnitt kann es schon mal eng werden. Trotzdem ist es das schönste Überleiter-Fleckchen, denn das Gegenufer ist Sumpfland, unzugänglich, mit Schilfzonen und übers Ufer hinaus ragenden Bäumen in Mangrovenoptik.

Auf der Brücke bin ich verabredet. Ich treffe mich mit Karolin Hofmann, der stellvertetenden Geschäftsführerin des Tourismusverbands Fränkisches Seenland. „Produktentwicklung“ gehört unter anderem zu ihren Aufgabengebieten, und so ist der Seenländer eines jener „Produkte“, mit denen die Region zielgruppenorientiert, nämlich bei der Wanderer-Community und bei Naturfreunden, beworben wird. „Produkt“ klingt aber gänzlich falsch, Karolin Hofmann verwendet einen anderen Begriff: „Der Seenländer ist mein Baby!“
Seit Beginn der Planung in Jahr 2008 macht sie sich Gedanken um die Qualität der Wege und koordiniert die Routenvorschläge der örtlichen Wanderwarte.

Zuerst hatte man auf der Gebietskarte drei Kringel um die Seen gemacht und versucht, die drei Rundwanderwege miteinander zu verbinden. Als dann die Testwanderer losgeschickt wurden, um die Strecke mit einem Erhebungsbogen des Deutschen Wanderverbands auf Naturnähe, Wegbeschaffenheit, Lärmabschottung und mehr abzuklopfen, stellte sich heraus: Nur abseits der Seen können Qualitätskriterien wie natürliche Stille, attraktive Naturlandschaften und eindrucksvolle Weitblicke erfüllt werden. Das grobe Raster wurde verlassen und die Planung einer geruhsameren Variante, des heutigen Seenländers, eingeleitet.

Dass sich auf der Strecke nicht nur „Sahnehäubchen“ aneinanderreihen, weiß Karolin Hofmann so gut wie kaum ein anderer. Doch hat sie ein Auge für die kleinen „Sensationen“ und hat deshalb unseren Treffpunkt mit Bedacht gewählt: Die Etappe sechs in Richtung Schlungenhof führt nämlich jetzt über etwa vier Kilometer auf ein und demselben Forstweg durch den Wald. Der Weg hat viele langen Geraden und dann wieder eine leichte Krümmung, fast wie im richtigen Leben wartet hinter der nächsten Biegung kein Wow-Erlebnis, sondern lediglich die nächste lange Gerade, dann wieder eine leichte Krümmung und so fort: „Ein Weg zum Abspannen und Loslassen“, meint Karolin Hofmann.

Ich verabschiede mich von der Tourismus-Expertin und mache gleich den Praxistest in Sachen meditatives Wandern. Außer dem Grpsgrps-Geräusch, das meine Turnschuhe auf dem Schotterweg erzeugen, machen hier nur die Waldvögel Lärm. Irgendwann kommt zwar das Grummeln eines Urlauberfliegers hinzu, aber ein Entspannungswanderer kann so was ausblenden und sein Hirn mal einen Gang runterschalten.

Waldmeister und Walderdbeeren, die dicken Harztränen einer verletzten Fichte, eine moosbewachsene Sitzgruppe, das Vogelhaus am Baumstumpf, den ein Waldarbeiter großzügig hat stehen lassen – auf dieser Strecke reichen ein paar kleine Entdeckungen. Bei mir ruft das meditative Gehen Kindheitserinnerungen wach. Wir nähern uns jenem Waldstück, das meine Oma gemeint hat, wenn es hieß: „Heind gemmer in die Haad, Schwarzbeern zupfn!“ Oma, Onkel, Tante und alle greifbaren Kinder-Sklaven verbrachten hier so manchen Sommernachmittag in den hohen Schwarzbeersträuchern. Oma hatte gigantische Blechmilchkannen dabei, und sie maß den Erfolg eines solchen Ausflugs in Schwarzbeer-Litern(!). Wer nicht spurte, trödelte und nur einen Bodendecker daherbrachte, wurde geschimpft.

Jetzt kommt der Seenländer der Staatsstraße 2222 recht nahe, vereinzelt zischt ein Wagen vorbei, aber bald führt ein schmaler Waldweg zurück in den von Kiefern dominierten Wald. Der grausliche Auto-Waldweg nach Brombach muss überquert werden, dann führt ein Schlängelpfad mit Kiefernnadelteppich zum Überleiter, auf den der Seenländer-Wanderer von einem höher gelegenen Weg hinunterschaut.

Im Wanderheft wird der Heidweiher „idyllisch“ genannt. Ist er auch, aber die Tierkörperbeseitigungsanlage ist eben immer noch nicht ganz geruchlos – oder erinnere ich mich an dieser Stelle nur an den Geruch von einem über die Ferien in der Büchertasche vergessenen Leberwurstbrot?

Gelungene Fabrikarchitektur

Jetzt geht es hinunter auf den Weg am Überleiter, unter der 466 durch und über die Bahngleise. Der Schlussspurt bietet die Aussicht auf Gunzenhausens wahrhaft schönstes Fabrikgebäude, das ich mal ganz nostalgisch den „Blauen Loos“ taufe. Hier treffe ich einen Familienclan, der sich mit zwei Angeln und einem Kescher auf Hechtfang befindet. Beim „Ingo in Merkendorf“ haben sie sich eine Tageskarte mit Angelberechtigung gekauft, und nach Auskunft der Petrijünger retten sie hier die Fische vor dem doch recht sinnlosen Erstickungstod, denn 2014 gab es hier ein großes Fischsterben wegen Sauerstoffmangels.

Tatsächlich: Alle geschätzte 50 Meter sieht man die Blubber der Sauerstoffanreichungsanlage aufsteigen. Und auch die rundum planierte Fläche kurz vor dem Fabrikgebäude hat mit der Problematik zu tun. Hier entsteht ein Absetzbecken für den Schlicker, der nach der Urlaubssaison aus dem Altmühlsee gepumpt werden soll. Wie das geht und wie das riecht – ja, da sind die Seenländer-Wanderer ganz nah dabei und immer auf dem aktuellen Stand!
In Richtung Tierheim Gunzenhausen spazierend stelle ich fest, dass man hier vom Zentrum des Fränkischen Seenlandes kaum was sieht. Gunzenhausen versteckt sich aus Seenländer-Perspektive hinter den Stadtrandbüschen, ist aber im Wanderheft mit vielen Hinweisen auf die bestens sortierte Gastronomie vertreten. Die Wanderroute führt jedoch nach links, weiter zum Ufer des Altmühlsee-Auslaufs hinauf: Mit dem Blick auf den Altmühlsee und die Wasserfontäne endet die sechste Etappe.

Zum Glück bin ich ortskundig und die anderthalb Kilometer nach Gunzenhausen City hänge ich noch dran, denn hier gibt es die beiden besten Eisdielen Westmittelfrankens und allerhand Attraktionen wie einen Bratwurstturmgrill und Cafés und Wirtshäuser mit Speisenkarten vom Feinsten noch und nöcher. Nach so einer Wanderung hat man an solcherlei wirklich Interesse, ich schwörs!

Ausflugstipp: Der Zen-Weg lässt sich auch von Rehenbühl aus erreichen – Wer keine Zeit für die gesamte Etappe hat, kann den Meditationsweg vom kleinen Wanderparkplatz in Rehenbühl aus ansteuern. Am besten alleine gehen oder schweigsam zu zweien.

Die nächste Etappe führt von Schlungenhof zum „Monte Gero“ bei Ornbau und ist mit 16,5 Kilometern die längste Einzelstrecke. Hauptsache das Wetter passt, dann geht es munter weiter!

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