Gifteinsatz im Gunzenhäuser Burgstall wird abgelehnt

17.1.2019, 05:54 Uhr
Gifteinsatz im Gunzenhäuser Burgstall wird abgelehnt

© dpa

Nachdem im vergangenen Jahr Teile des Burgstalls vom Eichenschwammspinner kahlgefressen worden waren, befürchten Fachleute heuer eine weitere Invasion des Schädlings (wir berichteten). Die unzähligen schwammartigen Gelege an den Bäumen in dem städtischen Naherholungsgebiet legen das nahe.

Noch steht überhaupt nicht fest, ob der Falter tatsächlich mit dem Hormon Mimic, das die Häutung verhindert, oder einem ähnlichen Mittel behandelt wird. Entschieden wird das laut dem Leiter des Gunzenhäuser Forstamts, Jürgen Stemmer, erst kurz vor dem Schlüpfen der Raupen, voraussichtlich im April. Und nicht die Behörde vor Ort veranlasst eine solche Besprühungsaktion, sondern das letzte Wort hat hier die Landesanstalt für Wald und Forst.

Dennoch wollen einige Anlieger nicht tatenlos zusehen und abwarten, bis es zu spät ist. Denn ein möglicher Gifteinsatz in der grünen Lunge der Altmühlstadt, sind sich Uwe Maier, Claudia Regner, Margit Eckert, Inge Geist und Elisabeth Jung sicher, hätte enorme Auswirkungen auf Flora und Fauna. "Wer denkt, das geht ihn nichts an, ist auf dem Holzweg", formuliert es Claudia Regner.

Denn längst nicht nur die direkten Anwohner und Gartenbesitzer wären betroffen, auch zwei Kliniken und ein Freibad gehören zum Einzugsgebiet des Burgstalls. Ganz zu schweigen von dem Wasserschutzgebiet, aus dem die Gunzenhäuser ihr Trinkwasser beziehen. Eine diffizile Ausgangslage, die auch den Verantwortlichen im Forstamt, bei den bayerischen Staatsforsten und in der Landesanstalt bekannt ist.

Dass das Hormon mit einem Hubschrauber relativ punktgenau eingesetzt werden kann, wie Fachleute behaupten, bezweifeln die fünf Anlieger am Tisch des Café "Lebenskunst", für die Mimic und Co. schlicht Gift ist. Bei einer Besprühungsaktion aus der Luft lande das Mittel zudem auch auf dem Boden (und von dort womöglich im Grundwasser), dort leben Waldameisen, die vielen Hunde, die täglich im Burgstall Gassi gehen, schnüffeln herum, Kinder spielen an den Stationen des Walderlebnispfads und später ja auch täglich im Waldkindergarten.

Bienen sind betroffen

Gifteinsatz im Gunzenhäuser Burgstall wird abgelehnt

© Marianne Natalis

Außerdem töte das Hormon nicht nur den Schwammspinner, sondern auch alle anderen Insekten, die zum entsprechenden Zeitpunkt auf den Blättern der Eichen sitzen, gibt Uwe Maier, der Römerführungen im Burgstall anbietet, zu Bedenken. Und Margit Eckert fügt an, dass Bienen zwar nicht direkt absterben würden, aber dennoch betroffen seien, denn "das ganze Volk funktioniert dann nicht mehr". Verschwinden die Insekten, so finden Vögel und Fledermäuse im Wald keine Nahrung mehr.

Die waren allerdings auch schon von dem extremen Befall im vergangenen Frühjahr betroffen, wie Elisabeth Jung weiß. Einmal im Jahr kontrolliert und reinigt sie im Rahmen des Naturrat 2000-Projekts die Nistkästen im Burgstall – und fand diese im vergangenen Herbst voll von Überresten des Schädlings: tote Raupen, Reste von Häutungen, und vor allem klebten überall neue Gelege. Manche waren "regelrecht zugekleistert". Von den Bewohnern, für die die Nistkästen ursprünglich gedacht sind, fehlte dagegen meist jede Spur.

Dennoch, die fünf Anwohner sind überzeugt, dass die Natur das Problem von alleine in den Griff bekommt. "Wir geben ihr nur keine Zeit", sagt Margit Eckert, die den Naturkostladen "Mirabelle" betreibt. Ein solcher Massenbefall ruft spätestens im zweiten oder dritten Jahr entsprechend viele (Fress-)Feinde auf den Plan, sind sie überzeugt.

Parasiten tun sich an den Gelegen gütlich, und Vögel stürzen sich auf die eiweißreichen Raupen. Und das sind nicht nur Kuckuck und Pirol, wie Uwe Maier mit eigenen Augen erlebt hat. Die Schwammspinnerraupen hatten im vergangenen Sommer auch vor seinem Garten, der direkt an den Burgstall grenzt, nicht Halt gemacht, und die Stare haben sich, erzählt er, genüsslich auf die eiweißreichen Raupen gestürzt und – solange dieser Vorrat reichte – den Kirschbaum verschmäht. Der Wald sei das letzte Refugium für Menschen und vor allem für Tiere, sagen die fünf Anwohner, und sollte deshalb in Ruhe gelassen werden.

So sieht das übrigens auch Tessa Ganserer aus Nürnberg. Die Landtagsabgeordnete der Grünen befasst sich bereits seit Jahren mit Mimic und Co. und lehnt einen Einsatz im Forst strikt ab. Gerade auf die Eiche haben sich nach ihren Worten "so viele seltene und vom Aussterben bedrohte Insekten spezialisiert", dass ein Gifteinsatz in Eichenwäldern einer "ökologischen Katastrophe" gleichkomme und nicht zu verantworten sei. Der Gifteinsatz in der Landwirtschaft habe bereits zu einem "dramatischen Artenschwund im Offenland" geführt, das gelte es im Forst unbedingt zu vermeiden.

An Schädlinge gewöhnt

Die Eiche, sagt Ganserer auf Anfragen unserer Zeitung, habe sich an Schädlinge gewöhnt, ein weiterer Befall des Burgstalls heiße nicht automatisch, dass alle Bäume absterben. Bei einem solchen Massenbefall kommen die "Gegenspieler" in der Regel zeitverzögert, weiß Ganserer.

Der Burgstall würde sich, nicht zuletzt durch seine Insellage, hervorragend für wissenschaftliche Untersuchungen leisten. Denn eine Langzeitstudie zum Eichenschwammspinner und den Auswirkungen eines Massenbefalls gibt es nicht. Diese Möglichkeit, die auch von den Forstfachleuten in Erwägung gezogen wird, fordern Ganserer und die fünf Gunzenhäuser explizit. Einen Einsatz von Mimic oder ähnlichem im Burgstall wollen Margit Eckert, Uwe Maier, Claudia Regner, Elisabeth Jung und Inge Geist auf jeden Fall verhindern — notfalls mit entsprechenden Aktionen, etwa Waldspaziergängen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Besprühung durchgeführt werden soll.

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