Großer Andrang beim Kanu-Testival am Altmühlsee

27.5.2018, 17:11 Uhr
Großer Andrang beim Kanu-Testival am Altmühlsee

© Jürgen Eisenbrand

Thomas Einsiedel ankerte heuer erstmals am Schlungenhöfer Seeufer, und der Wendelsteiner präsentierte gleichsam einige Rolls Royces unter den Kanus: seine handgefertigten Boote aus Holz – der absolute Blickfang unter all den grellbunten Booten aus Kunststoff oder Segeltuch.

Bis vor 15 Jahren betrieb der 59-Jährige, der locker als Mittvierziger durchginge, das traditionelle Zimmerer-Handwerk: Mit seiner Zweimann-Firma "Holzbock" erledigte er alle einschlägigen Arbeiten. Eines Tages erwuchs aus einer Laune heraus die Idee, ein Kanu aus Holz zu bauen, und dank des Buchs "Canoe Craft – die Kunst ein Kanu zu bauen", gleichsam die "Bibel" der kleinen Branche, gelang dies sogar.

"Es wird funktionieren"

Von diesem Moment an war die Zeit des Zimmerers Einsiedel vorbei, und die des Bootsbauers Einsiedel hatte begonnen. "Ich habe mich zu hundert Prozent auf diese neue Arbeit gestürzt", sagt er, "weil ich wusste, dass es funktionieren würde."

Mit dieser Meinung stand er allerdings lange Zeit ziemlich alleine. "Es war eine harte Zeit", gibt er zu. "Manchmal wusste ich buchstäblich nicht mehr, wovon ich mir etwas zu essen kaufen sollte." Die Banken winkten auf die Frage nach Krediten schon lange ab, und auch unter den Bootsbauern galt er lange als "einer der Spinner, die meinen, sie müssten Holzboote bauen".

Inzwischen, sagt Einsiedel, habe sich alles komplett gedreht: Von den Kollegen sei er anerkannt, das Geschäft laufe gut, und er habe es geschafft, die Preise für seine schwimmenden Holzkunstwerke auf ein Niveau zu heben, von dem er leben könne. Ein Dutzend davon baue er nun pro Jahr, die Preise dafür liegen zwischen 5700 und 6900 Euro, die Bauzeit bei sechs Wochen, das Gewicht bei unter 20 Kilo.

Für Sonderanfertigungen wie die, die ein Audi-Ingenieur einst bestellte, der unbedingt genügend Platz haben wollte, damit zwei Personen nebeneinander schlafen können, werden auch schon mal fünfstellige Summen fällig. Und Spezialgeräte für Spitzensportler wiegen keine 12 Kilo.

Exakt 156 Boote – vorzugsweise aus Mahagoni oder der besonders exklusiven kanadischen Rotzeder – hat Einsiedel in seiner kleinen Werft im Wendelsteiner Gewerbegebiet inzwischen gebaut. "Alles Einzelstücke", betont er, "und von jedem hängt ein Foto bei mir an der Wand". 23 Bootsformen hat er im Angebot, aber auch Nachbauten ganz spezieller Rümpfe sind möglich. An denen arbeitet der Kanu-Künstler – wie an allen anderen – übrigens nur, wenn es ihm gut geht: "Mit schlechter Laune an einem Boot bauen – das würde nicht funktionieren."

Olympiasieger schwärmt

Wie hoch geschätzt seine Arbeit inzwischen ist, lässt sich besonders gut daran ablesen, dass Einsiedels Ein-Mann-Firma "Kanuga" inzwischen auch für die deutsche und die ungarische Olympiamannschaft tätig ist. Und der dreifache Kanu-Olympiasieger Andreas Dittmer schwärmt auf Einsiedels Website: "Ich habe in den mehr als 20 Jahren meiner sportlichen Laufbahn viel von der Welt und sicher auch viele Kanus gesehen, aber noch nie vorher so wunderschöne, wie man sie bei Kanuga findet."

Der Traum vom Holzbootsbauer, den Thomas Einsiedel vor 15 Jahren hatte, ist nach einigen harten Prüfungen also wahr geworden. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, und dennoch sagt er zur Verblüffung seines Gesprächspartners, er sei "arbeitslos". Und nach einem kurzen Moment, in dem er das ratlose Gesicht seines Gegenüber genießt, fügt er schmunzelnd hinzu: "Ich arbeite nicht, ich gehe einer Leidenschaft nach. Und das ist ein großer Luxus im Leben."

In etwa so groß, darf man vermuten, wie der seiner schwimmenden Rolls Royces.

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