Gunzenhausen: Ambros gibt Rätsel auf

13.3.2017, 06:29 Uhr
Gunzenhausen: Ambros gibt  Rätsel auf

© Kristy Husz

Langweilig ist der Abend mit Ambros wahrlich nicht. Ganz wie Bob Dylan, dessen Songs er einst erfolgreich verwienert hat, muss der zerknautscht wirkende Austropop-Veteran mit den über 45 Live-Jahren auf dem (nicht bloß sprichwörtlichen) Buckel niemandem mehr etwas beweisen und macht auf seiner eigenen "Never Ending Tour" halt stur das, worauf er Lust hat. Damit sorgt er für ein paar Irritationen (und zwischendurch für reichlich Rätselraten über seinen Alkoholpegel), unterhält alles in allem allerdings prima.

Schräg ist bereits der Einstieg: Saitenzauberer Vogl und Tastenvirtuose Dzikowski werden dem Publikum von Ambros flachsend als "leicht dement" beziehungsweise "nimmer so ganz beinand" vorgestellt. Dabei würden diese Beschreibungen viel besser auf ihn selbst passen: Optisch wie stimmlich arg vom Leben gebeutelt, so kauert der in wenigen Tagen 65-Jährige auf seinem Barhocker, lugt unter bleischweren Lidern in die fast ausverkaufte Runde und moderiert auf bizarre Weise seine Lieder an. Irgendwie benebelt ist er, und Schuld trägt wohl eher der nebenbei genippte Frankenwein als der Rauchschwaden-Effekt auf der Bühne.

Aber die Leute, die sich ohnehin wunderbar über die wunderlichen Sprüche des Österreichers amüsieren, sind ja hauptsächlich wegen der Musik da, also Themenwechsel. Die Auswahl der Songs lässt in der Tat nichts zu wünschen übrig. Wer mit Ambros’ Sound aufgewachsen ist, und das betrifft gemessen an der Textsicherheit das Gros des Auditoriums, wird hier fündig und bekommt in der ersten Hälfte des Auftritts viel fürs Hirn und in der zweiten noch mehr fürs Herz geliefert.

Anders als gewohnt

Klassiker wie "Du bist wia de Wintasun", "Zwickt’s mi" oder "Langsam wochs’ ma z’amm" dürfen natürlich nicht fehlen, dazu serviert das Trio eine Kostprobe aus dem "Watzmann" und auch unbekanntere Stücke wie "Frage der Zeit" aus dem Hörspiel "Augustin" oder die melodische Tom-Waits-Interpretation "Die Sunn geht boid auf". Alles ein bisschen anders arrangiert als gewohnt, und zwar gar nicht mal so puristisch, wie es der Name der Konzertreise vielleicht suggeriert.

Vor allem die Kollegen Günter Dzikowski – seit 1979 Mitglied der "No. 1 vom Wienerwald" – und Roland Vogl – ursprünglich Ambros’ Techniker – drehen ordentlich auf. So ist "Samma wieda guat" ein Paradebeispiel für die Klasse des Pianisten Dzikowski, der auf dem Schifferklavier einen prächtigen Südstaaten-Klangteppich unter dem Track ausrollt. Vogl steht ihm, etwa an der Lap-Steel-Gitarre, in nichts nach, und zupft sich so gewandt durch das breit gefächerte Repertoire seines Chefs, als hätte er nie etwas anderes getan.

Würdige Denkmale setzen die drei Musiker den zwei Ambros’schen Lebensmenschen Joesi Prokopetz und Georg Danzer. Grazil galoppieren die "Weißen Pferde" des viel zu früh verstorbenen Danzer durch den Raum und machen offenkundig nicht nur die Stadthallenbesucher melancholisch. Deshalb bildet das existenzielle Themen aufgreifende "Gut und schön" anschließend die ideale Brücke zur Pause, deren Ende Wolfgang Ambros stoisch mit seiner Version von "Corrina, Corrina" einläutet, noch bevor sich die Blöcke wieder gefüllt haben.

Sichtlich gerührter Star

Nach einem Ständchen für die beiden Geburtstagskinder im Publikum und einigen skurrilen Kommentaren sowie Liedern mit Schmäh später wird es Zeit für die von den Fans lautstark mitgesungenen Überhits "Die Blume aus dem Gemeindebau", "Es lebe der Zentralfriedhof" und "Schifoan". Dann hat Ambros es geschafft und darf sichtlich gerührt in die glücklich applaudierende Menge hinunterspähen, die sich restlos von ihren Plätzen erhoben hat.

Der Austropop, diese dialektal gefärbte Mischung aus Gefühl, Lebenslust und Hang zum Morbiden, die nur die Bewohner der Alpenrepublik hinkriegen, hat mit seinem berühmtesten Abgesandten Gunzenhausen für einen unkonventionellen Abend in die Nähe von Wien verlegt.

Wer nicht mit Spekulationen über den Gesundheitszustand des Altmeisters abgelenkt war, der zeigte klar, wie er das fand: ziemlich leiwand.

 

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