Gunzenhausen: Demonstranten lassen kein gutes Haar am PAG

17.6.2018, 18:23 Uhr
Gunzenhausen: Demonstranten lassen kein gutes Haar am PAG

© Wolfgang Dressler

Wenn sich hin und wieder die Veranstaltungen, Sportereignisse und Demonstrationen in Nürnberg ballen, dann kommt von der dortigen Polizeidirektion eine Warnung an die Öffentlichkeit. Mit erheblichen Verkehrsbehinderungen und Einschränkungen beim Betreten zentraler Plätze sei zu rechnen. Die Ordnungshüter sind dann massiv vertreten – unter anderem um Ausschreitungen bei Demonstrationen zu unterbinden. Meistens bleibt alles friedlich. So war es auch am Samstag in Gunzenhausen.

Im Herz der Stadt spielte pünktlich ab 10 Uhr die "Gunzenhäuser Blous’n" auf und schmetterte etwa "Aus Böhmen kommt die Musik" in die Runde. Die Stadtverwaltung machte daneben an einem Stand auf ihre Radlerfreundlichkeit aufmerksam. Am Glockenturm fand der Bauernmarkt statt, und dort konnte man auch christliche Literatur an einem Stand erwerben. Und wenige Meter entfernt fand sich ein buntes Völkchen, ausgestattet mit Fahnen und Trillerpfeifen ein, um ein Zeichen gegen das neue, bereits in Kraft befindliche bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) zu setzen. In München hatten vor einigen Wochen Zehntausende an einer solchen Demo teilgenommen, in der Altmühlstadt waren es etwa 150. Sie folgten der Aufforderung von Piraten, SPD, Linken und Grünen.

Ob das PAG zum Aufreger im Landtagswahlkampf taugt? Die Demonstranten drückten diese Hoffnung aus. Was sie wollen, skandierten sie beim Umzug über Marktplatz, Gerberstraße, Dr.-Martin-Luther-Platz, Bühringerstraße, Sonnenstraße und innere Weißenburger Straße. Beamte der Gunzenhäuser Polizei, mit ihren blauen Uniformen optisch gewöhnungsbedürftig, regelten den Verkehr. Es gab so gut wie keine Behinderungen. Dafür mussten die Polizisten — ihre geringe Zahl reicht vollkommen aus — hin und wieder die Frage von Passanten und Autofahrern beantworten, was da eigentlich los sei.

Unter Generalverdacht

Für die Initiatoren der Kundgebung war von Anfang an klar, und das wurde auch mehrfach so ausgedrückt, dass sich ihre Aktion nicht gegen die bayerische Polizei richte. Die solle ihre wichtige Arbeit tun, am besten mit mehr Personal, mehr Know-how und besserer Ausstattung, doch eben nicht in den Bahnen, die jetzt der Landtag mit seiner CSU-Mehrheit vorgegeben habe. Markus Wanger von den Piraten gab gleich zu Beginn den Ton vor: "Wir sind nicht einverstanden mit dem, was uns die CSU vorsetzt." Mit dem PAG würden alle Bürger unter Generalverdacht gestellt. Und: "Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft."

Zurückgekehrt von ihrer Runde um die Altstadt hörten die Demonstranten auch von den anderen Rednern immer wieder Warnungen vor den heillosen Folgen des PAG. Ob Mathias Hertlein (SPD), Daniel Gruber (Piraten), Hans Webersberger (Linke) oder Winfried Kucher (Grüne) – sie alle stören sich an der Tatsache, dass die Polizei jetzt bei "drohender Gefahr" eine breite Palette von Maßnahmen durchführen kann, was letztlich auf Ausspionieren im großen Stil hinauslaufe, bis hin zu Onlinedurchsuchungen und DNA-Proben. Hinzu komme die "Unendlichkeitshaft" für vermutete Gefährder. Diese werden eingesperrt, und ein Richter kann die Haft auf drei Monate ausdehnen, dabei muss er sich auf die Einschätzung der Polizei verlassen. Nach drei Monaten steht dann die nächste Haftprüfung an.

Gunzenhausen: Demonstranten lassen kein gutes Haar am PAG

© Wolfgang Dressler

Hertlein beklagte dazu, ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren, das diesen Namen verdiene, würden Menschen für ein Vierteljahr weggesperrt. Mit dem novellierten PAG gehe Bayern in Richtung totale Überwachung und totale Sicherheit. Dabei müsse der Staat doch immer abwägen zwischen den verschiedenen Rechtsgütern und sich im Zweifelsfall für die Freiheit der Bürger entscheiden. Dass jetzt auch noch Polizisten als Aufklärer an die Schulen gehen sollen, "setzt dem Ganzen die Krone auf".

Arroganz der CSU beklagt

Gruber befürchtete, dass weitreichende Befugnisse der Polizei missbraucht werden, wenn ausreichende Kontrollmechanismen fehlen. Das sei schon passiert, und es gelte eben, aus der Geschichte zu lernen. Das Gesetz solle angeblich den Rechtsstaat sichern, doch es schaffe ihn ab. Der Pirat in Richtung CSU: "Wir wollen keine neue Gestapo." Die Mehrheitspartei habe den Gesetzentwurf mit unglaublicher Arroganz im Parlament durchgedrückt.

Webersberger stellte den Bezug zu den 30er-Jahren, als die Nazis die Macht ergriffen, und zu späteren gesellschaftlichen Strömungen, als Bürger in der Bundesrepublik gegen die Politik auf die Straße gingen, her. Er selbst habe als 15-Jähriger gegen die NPD demonstriert, sei später in der Friedensbewegung aktiv gewesen und habe zudem Streiks mitorganisiert. Sei er deshalb ein Gefährder, den es zu überwachen gelte? Gerade die politische Linke müsse sich um die Probleme der Bürger kümmern, da sei leider einiges vernachlässigt worden. Ansonsten sei abzusehen, dass die Menschen den Rattenfängern der AfD hinterherlaufen, "und dann wird es gefährlich."

Blick auf den 14. Oktober

Kucher betonte, der freiheitliche Staat brauche keine Aushöhlung der Freiheitsrechte durch die CSU und keinen eigenen polizeilichen Nachrichtendienst. Auch die bayerische Polizei brauche das PAG nicht. Die CSU hingegen meine, sie brauche das Gesetz, um im Wahlkampf gegen die AfD zu punkten. Es gehe ihr darum, mit allen Mitteln ihre absolute Mehrheit zu verteidigen. Am 14. Oktober könnten die Wahlbürger dafür sorgen, dass künftig keine Partei mehr im Landtag ein Gesetz wie dieses im Alleingang auf den Weg bringen und durchsetzen könne.

Kritische Worte fielen während der Kundgebung gegen den hiesigen Abgeordneten Manuel Westphal (CSU). Dieser habe nach der großen Demonstration in München die Teilnehmer in die Nähe von linksextremistischem Gedankengut gerückt.

Keine Kommentare