Gunzenhausen: Demonstration gegen umstrittenes Gesetz

8.6.2018, 18:10 Uhr
Gunzenhausen: Demonstration gegen umstrittenes Gesetz

© Jürgen Eisenbrand

"Das Gesetz wird Leben retten, es wird Menschen helfen, nicht zu Opfern zu werden", sagt Ministerpräsident Markus Söder. Das Gesetz, das bereits seit gut zwei Wochen gilt, sei "maßlos und gefährlich", kontert der SPD-Kreisvorsitzende Harald Dösel bei einem Pressegespräch in der Altmühlstadt. Es reiße "die Grenzen zum Verfassungsschutz ein", und der seit Wochen heftig diskutierte "unbestimmte Rechtsbegriff der ,drohenden Gefahr" mache es "anfällig für Missbrauch".

Wie alle Kritiker reiben sich auch die Initiatoren der Demo an diesen beiden Worten: Sie ermöglichen es ihrer Ansicht nach, dass die bayerische Polizei das Recht hat, ohne konkreten Verdacht auf eine geplante Straftat Überwachungsmaßnahmen einzuleiten, DNA-Proben zu nehmen und Online-Durchsuchungen durchzuführen.

Die Staatsregierung argumentiert, dass sie mit der jüngsten Novelle des PAG, gegen das bereits mehrere Klagen laufen, lediglich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiere; ein Argument, das die Gegner nicht gelten lassen: "Die Bundesrichter haben das allein auf terroristische Gefahren bezogen", sagt Peter Reitmaier aus Laubenzedel, der die Demo für die Piratenpartei angemeldet hat.

Harald Dösel wirft der Staatsregierung vor, sie wolle mit dem PAG "eine Politik, die Ängste erzeugt und Ressentiments schürt". Dabei solle doch, so der Sozialdemokrat aus Weißenburg, "das Grundgesetz vor staatlicher Willkür schützen"; dass die Grundrechte "immer mehr ausgehöhlt werden, macht mir wirklich Sorgen".

Der Gunzenhäuser Ortssprecher der Linken, Heinz Rettlinger, vermutet nicht zuletzt wahltaktische Motive Söders hinter der Verschärfung des PAG: "Dieser Möchtegern-Strauß will das Gesetz nutzen, um am rechten Rand Stimmen abzuschöpfen." Er brauche "diese populistische Art", um auch nach den Landtagswahlen im Herbst noch "Alleinherrscher zu sein".

Ein weiterer Hauptkritikpunkt am PAG ist für die Initiatoren der Kundgebung die von ihnen plakativ so genannte "Unendlichkeitshaft". Ein Begriff, den die Staatsregierung als demagogisch ablehnt, und den auch der Landesvorsitzende der — eher konservativ ausgerichteten — Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Nachtigall. in einem Gespräch mit den Nürnberger Nachrichten als "ärgerlich" bezeichnete.

Tatsache ist freilich, dass ein so genannter "Gefährder", von der Polizei in Gewahrsam genommen, nach 24 Stunden von einem Richter, der ihn nicht persönlich gesehen oder gesprochen hat, sondern sich auf die Einschätzung der Polizei verlassen muss, für drei Monate eingesperrt werden kann — ehe die nächste Prüfung des Falles ansteht.

"Unendlich lange wegsperren"

"Wie das in der Praxis aussieht, wenn Richter und Polizist sich schon lange kennen, kann man sich vorstellen", sagt Peter Reitmaier. "Theoretisch kann man also jemanden unendlich lange ohne Gerichtsverfahren wegsperren, nur weil jemand davon ausgeht, dass er irgendwann eine Straftat begehen wird", so der Pirat: "Da sind wir vom Fall Deniz Yücel in der Türkei nicht mehr weit weg."

Da müsse man schon "genauer hinsehen", konterte Polizei-Gewerkschafter Nachtigall derartige Thesen im NN-Gespräch. "Willkürlich kann die Polizei nicht jeden von der Straße einsammeln, das PAG verlangt in Artikel 11 schon, dass die Gefahr wahrscheinlich ist." Außerdem müsse der Polizist dem Richter erklären, worin die "drohende Gefahr" bestehe.

Aber, so Nachtigall weiter: "Wenn wir als Polizei Gefahren von den Menschen abwehren wollen, können wir nicht immer warten, bis Zeit und Ort des Geschehens bekannt sind." Der Punkt sei doch: "Wie weit im Vorfeld soll die Polizei die Chance haben, Straftaten zu verhindern? Bisher haben wir mit dem Vorwurf zu kämpfen, ob denn immer erst etwas passieren muss, bis die Polizei kommt."

Die Ordnungshüter seien es auch gar nicht, gegen die sich ihr Protest richte, beteuern die Organisatoren der Kundgebung einhellig: "Das ist keine Demo gegen die Polizei", sagt etwa der stellvertretende Kreisvorsitzende der Piratenpartei, Markus Wanger. Und Harald Dösel ergänzt: "Uns geht es um die Auswüchse dieses Gesetzes."

Der Demonstrationszug startet am Samstag, 16. Juni, um 10 Uhr am Glockenturm vor der Sparkasse Gunzenhausen. Nach einer Runde über Marktplatz, Gerber-, Bühringer-, Sonnen- und Weißenburger Straße findet vor dem Redaktionsgebäude des AltmühlBoten (Marktplatz 47) die Abschlusskundgebung statt.

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