Gunzenhausen: Ein neuer Boss für Bosch

7.2.2017, 15:22 Uhr
Gunzenhausen: Ein neuer Boss für Bosch

© Jürgen Eisenbrand

Der ist freilich schon auf den ersten Blick alles andere als unauffällig: Stattliche 2,02 Meter misst der gebürtige Sauerländer, der 2003 bei Bosch landete, als der Technologie-Riese sich seinen Arbeitgeber Buderus einverleibte. Als "gekauften Boschler" bezeichnet sich der 49-Jährige deshalb augenzwinkernd. 2009, als der Weltkonzern den Gunzenhäuser Kesselspezialisten Loos erwarb, ging er für Bosch "als Mann der ersten Stunde" ins Loos-Werk nach Bischofshofen im Salzburger Land — und von dort wechselte er im Herbst 2013 als Werksleiter an den deutlich größeren Standort Gunzenhausen.

Nun also der Wechsel auf den Chefsessel, wo ihm Andreas Justl als alter und neuer Kaufmännischer Leiter auf Augenhöhe zur Seite steht. Ein Aufstieg, der maßgeblich auch Umstrukturierungen bei der übergeordneten Bosch Thermotechnik GmbH geschuldet sei, sagt Wermers. Dorthin sei sein Vorgänger Brandstetter gewechselt, von dort aus sei er als Entwicklungsleiter auch immer noch für Gunzenhausen zuständig.

Er selbst wolle "kurzfristig keinesfalls weg von hier", beteuert der promovierte Maschinenbau-Ingenieur: "Und was langfristig sein wird — dafür bräuchte man eine Glaskugel." Das schnelle "Job-Hopping", also das regelmäßige Umziehen von einem Bosch-Standort zum nächsten, sei nicht Teil der Firmenpolitik. Er jedenfalls verspüre derzeit "keinen inneren Antrieb, von hier wegzugehen".

Und das, obwohl Wermers seit seinem Umzug an den Altmühlsee eine Existenz als Wochenendpendler führt: Seine Ehefrau wohnt mit den beiden Kindern, einer 16-Jährigen Tochter und einem 13 Jahre alten Sohn, weiterhin in Salzburg. "Sie sind in der Schule und in Vereinen sehr verwurzelt", sagt Wermers. Da habe sich die Begeisterung über einen möglichen Umzug nach Franken doch "sehr in Grenzen gehalten", räumt er ein. Das Pendeln habe zwar Nachteile, sei aber in dieser Situation vernünftig. "Wir haben das Optimum für uns gefunden", freut sich Wermers. Zumal ihn die Familie in den Sommerferien gerne besuche.

Überhaupt fühlt sich der ehemalige Volleyballspieler, der seiner Leidenschaft für den Sport beim Skifahren, Radeln, Segeln und Laufen frönt, offenbar richtig wohl in Gunzenhausen: "Mein erster Eindruck war: Die Stadt ist schön und pittoresk — und hervorragend gepflegt", erinnert er sich an die Anfänge. "Und der Freizeitwert ist ja wirklich genial", ergänzt Andreas Justl, der schon mal mit seinem Kollegen gemeinsam zum Radeln oder Joggen geht. Auf die Frage nach der Lieblingsradstrecke antworten beide recht spontan: "Die Runde um den Großen Brombachsee." Und Wermers kann auch ganz konkret sagen, warum: "Da kann man nach dem Radeln überall wunderbar einkehren."

Gunzenhausen: Ein neuer Boss für Bosch

© Jürgen Eisenbrand

Wesentlich mehr Zeit als im Fahrradsattel verbringt der neue Gunzenhäuser Bosch-Boss jedoch naturgemäß am Schreibtisch. Und da hat er ambitionierte Pläne: "Unser oberstes Ziel ist ein ambitioniertes Wachstum, auch in Gunzenhausen", gibt er als Parole aus. Gelingen soll das mit einer Reihe von Innovationen, die schon "in der Pipeline" seien. Für den Wirtschaftsstandort Gunzenhausen, für die Beschäftigten und für den regionalen Arbeitsmarkt sind das gute Nachrichten: "Wir wachsen kontinuierlich", sagt Wermers. "Und weil unsere Produktion einen vergleichsweise hohen Anteil manueller Fertigung verlangt, ist dieses Wachstum auch immer mit einem höheren Arbeitskräftebedarf verbunden."

Um den auch künftig decken zu können, bilde man fleißig aus: Rund 40 Azubis absolvieren derzeit eine Lehre in der Nürnberger Straße beziehungsweise im Werk 2 in Schlungenhof. "Zudem haben wir ein hohes Interesse daran, die Leute auch zu halten", sagt Wermers. "Wir haben eine hohe Quote an Facharbeitern, und wir profitieren davon, wenn die auch hier gelernt haben." Auch wenn weithin Klagen über Nachwuchsmangel zu hören sind, kann Wermers zufrieden feststellen: "Noch gelingt es uns gut, die Lehrstellen zu besetzen."

Mit Straßen zufrieden

Und auch in die Mäkelei an der mangelhaften Verkehrsinfrastruktur mag der "Managing Director", wie er auf der Rückseite seiner zweisprachigen Visitenkarte betitelt wird, nicht einstimmen: Natürlich wäre ein näher gelegener Autobahnanschluss wünschenswert, aber ansonsten sei man bei Bosch in Gunzenhausen mit den Straßenverbindungen zufrieden. Besonders wichtig ist für die Kesselbauer, deren dickste "Brummer" schon mal sechs Meter hoch und 100 Tonnen schwer sein können, dass der Hafen in Roth gut erreichbar ist. Da gebe es zwei Routen, auf denen die Spezialtransporte nicht etwa durch zu niedrige Brücken blockiert werden. Und die Absprache mit den Behörden, etwa über Baustellen, klappe "hervorragend".

Um den Standort Gunzenhausen jedenfalls müsse man sich keine Sorgen machen, beteuert der neue Geschäftsführer. Denn die Dampf- und Heißwasserkessel aus dem Seenland würden in fast allen Industriebranchen gebraucht, etwa im Textil-, im Nahrungsmittel- oder im Baustoffbereich. Und im Brauwesen: "Acht von zehn Bieren werden in Deutschland mit Prozesswärme aus unseren Kesseln gebraut", sagt Marketingleiter Daniel Gosse stolz. Ein Satz, der auch seinem Chef sichtlich gut gefällt.

Die Bosch-Kessel zeichneten sich durch eine besonders hohe Effizienz aus, ein Faktor, der auch in Zukunft immer wichtiger werde, und in Gunzenhausen sei man in der Lage, auch große, sehr komplexe Anlagen zu bauen — und sie über Jahrzehnte hinweg zu betreuen beziehungsweise auch zu modernisieren. Die ältesten Produkte, für die es derzeit noch Wartungsverträge gebe, seien über 50 Jahre alt.

Alles in allem sei das Unternehmen am Standort Gunzenhausen "extrem solide, extrem gut aufgestellt und durch die Bosch-Übernahme sehr gestärkt", gerät Hendrik Wermers fast ein wenig ins Schwärmen. Und erst bei der Frage nach dem Umsatz, der hier erwirtschaftet werde, wird er wieder Bosch-typisch diskret. Freundlich lächelnd sagt er dann: "Umsatz? Ja, machen wir. Und gerne auch etwas mehr."

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