Gunzenhausen: Flechterei statt Streifenwagen

23.11.2016, 12:34 Uhr
Gunzenhausen: Flechterei statt Streifenwagen

© Foto: AWO

Seit mehreren Jahren wohnt Thomas Wagner im Therapiezentrum in Schloss Cronheim. Dort versucht er, mit seiner Alkoholabhängigkeit zurecht zu kommen. Leben im betreuten Umfeld, absolutes Alkoholverbot und ein geregelter Tagesablauf gehören dazu. In der Flechterei stellt er aus verschiedenen Weidenruten Körbe und Puppenwagen her. Im Rahmen der Aktion Rollentausch arbeiteten Mittelfrankens Bezirkstagspräsident Richard Bartsch und der Leiter der Polizeiinspektion Gunzenhausen, Harald Eckert, einen Vormittag zusammen mit den Patienten.

In der Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt Roth-Schwabach (AWO) sind derzeit 60 Männer und Frauen stationär untergebracht, die alkoholabhängig sind. Der Jüngste ist 22 Jahre alt, die Älteste bereits 74. Sie alle leiden unter einer schweren Alkoholabhängigkeit und kommen ohne Rundumbetreuung nicht mehr zurecht.

Aus der Schmuddelecke

Seit fünf Jahren lädt Einrichtungsleiter Frank Genahl schon Politiker, Geschäftsleute und Amtsträger ein, um für die Arbeit in dem Therapiezentrum zu werben. „Wir möchten versuchen, das Thema Alkoholabhängigkeit aus der Schmuddelecke zu bekommen“, sagt Genahl.

Auch die Beamten der Polizeiinspektion Gunzenhausen haben immer mal wieder mit alkoholisierten Personen in der Öffentlichkeit zu tun. Und nicht jeder Bewohner der Cronheimer Einrichtung hält sich bei Besuchen des Stadtzentrums an das Alkoholverbot. Damit die Polizisten wissen, was genau in Cronheim passiert, dient dieser Austausch.

Inzwischen gibt es bereits einen Kontaktbeamten bei der Polizei, an denen sich auch die Einrichtung bei ernsten Fällen richten kann. „Sollte wirklich mal jemand alkoholisiert und aggressiv zurück nach Cronheim kommen, müssen wir die Polizei einsetzen“, sagt Leiter Genahl. Zweimal würden die Patienten verwarnt, wenn sie sich etwas zuschulden kommen lassen. „Beim dritten Mal müssen sie die Einrichtung verlassen.“ Für viele endet das nicht selten wieder in einem Absturz, im schlimmsten Fall saufen sie sich buchstäblich zu Tode.

Bei seinem dreistündigen Besuch hat Polizeichef Eckert viel über die Hintergründe der Menschen in der Flechterei erfahren. Er ist begeistert, wie sich die Patienten mit ihrer Tätigkeit identifizieren. Zudem bewundert er die Mitarbeiter, die sich in den sozialen Berufen engagieren. „Ich bin ja als Polizist auch in einem Sozialberuf tätig und versuche, präventiv zu arbeiten“, sagt Eckert. Bezirkstagspräsident Bartsch hatte für die AWO noch eine freudige Nachricht im Gepäck: Der Bezirk unterstützt die Einrichtung eines betreuten Wohnens, in dem künftig zwölf Menschen mit nicht ganz so starkem Therapiebedarf selbstständig mit Unterstützung leben können.

Derzeit wird noch nach passenden Räumen in Gunzenhausen gesucht. Einrichtungsleiter Genahl hofft, dass im nächsten Jahr die ersten Bewohner einziehen können: „Der Bedarf ist auf jeden Fall da.“

Keine Kommentare