Gunzenhausen: "Lebensgrundlagen sind in Gefahr"

31.1.2019, 17:16 Uhr
Gunzenhausen:

© Jürgen Eisenbrand

"In Bayern gehen viele Tier- und Pflanzenarten massiv in ihrem Bestand zurück oder sterben sogar aus", nennen die Betreiber des Volksbegehrens als ein maßgebliches Motiv ihrer Initiative. Besonders betroffen seien Fluginsekten, deren Zahl um circa 75 Prozent zurückgegangen sein.

Dieser Schwund verlaufe "zeitgleich mit dem Rückgang blühender Wiesen und anderer natürlicher Lebensräume, welche die Insekten für Nahrung und Fortpflanzung benötigen. Darunter leiden auch alle Insektenfresser, allen voran viele Vogelarten", heißt es auf der Website des Volksbegehren (www.volksbegehren-artenvielfalt.de). "Dieser Rückgang ist nicht nur ein Verlust unserer Lebensqualität, sondern eine konkrete Gefahr für unsere Zukunft. Denn wenn das Zusammenspiel zwischen der Pflanzen- und Tierwelt und dem Menschen gestört wird, wird vieles, was wir heute als selbstverständlich erachten, in Zukunft nicht mehr möglich sein – allem voran die natürliche Bestäubung der Pflanzen durch Insekten."

Ein Argument, das auch bei den ausgewiesensten Bienen-Experten sticht, den Imkern: "54 Prozent aller Wildbienen sind bedroht oder bereits ausgestorben, 73 Prozent aller Tagfalter sind verschwunden, über 75 Prozent aller Fluginsekten sind nicht mehr da. Unter anderem in Folge des Insektenschwundes leben in Bayern nur noch halb so viele Vögel wie vor 30 Jahren", heißt es in einem Aufruf zur Teilnahme am Volksbegehren des Imkervereins Mönchswald und des Landesbundes für Vogelschutz (LBV). "Diese dramatische Entwicklung will das Volksbegehren stoppen."

Sein Ziel sei es, "Regelungen im bayerischen Naturschutzgesetz zu verankern, um die Artenvielfalt zu retten". Als Kernforderungen nennen die beiden Verbände: "die bayernweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere; die Erhaltung von Hecken, Bäumen und kleinen Gewässern in der Landwirtschaft; den Erhalt und die Schaffung blühender Randstreifen an allen Bächen und Gräben; den massiven Ausbau der ökologischen Landwirtschaft; die Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen; die pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatlichen Flächen; die Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirten".

"Wir müssen das bayerische Naturschutzgesetz so ändern, dass unsere heimischen Arten wie Wildbienen, Schmetterlinge und Vögel auch in Zukunft überleben können", ist die Vizepräsidentin des Bezirkstags, Christa Naaß, überzeugt. "Unsere Lebensgrundlagen sind in Gefahr, wenn wir nichts tun." Der Insektenschwund sei "eine katastrophale Entwicklung – auch und besonders für uns Menschen. Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und andere Insekten haben eine elementare Bedeutung für unsere Wild- und Nutzpflanzen, für den Bestand der Vögel in Bayern und natürlich auch für die Lebensmittelproduktion".

"Wir brauchen deshalb mehr Naturschutzflächen wie Blühstreifen und Hecken in der Landwirtschaft, aber auch im privaten Bereich", ergänzt die stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Doris Schicker, die selbst Imkerin ist. Außerdem sei die Überdüngung zu stoppen, die Pflanzengifte Glyphosat und Neonicotinoide müssten verboten und "eine wirksame Politik für den Klimaschutz" umgesetzt werden.

Dass, wie von den Gegnern des Volksbegehrens behauptet, wegen des massiven Ausbaus der Öko-Landwirtschaft (angestrebt sind 30 Prozent bis 2030, derzeit sind es in Bayern knapp 10 Prozent) der Biomilch-Markt zusammenbrechen werde, glaubt Simon Scherer nicht. Der Gunzenhäuser ist stellvertretender Kreisvorsitzender der ÖDP, war gestern unter den Aktivisten vor dem Rathaus — und er ist überzeugt: Die Engpässe bei der Biomilch sind "eine Folge des Versagens im konventionellen Bereich". Denn nach dem Auslaufen der EU-Milchquote 2015 sei der Milchpreis eingebrochen — und in der Folge hätten viele Bauern auf Bio umgestellt — mehr, als die Molkereien damals aufnehmen konnten.

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Dass dennoch alle Öko-Anbauverbände das Volksbegehren unterstützten, sei für ihn ein klares Argument, dass "die Sorgen konventioneller Landwirte um die Biomärkte unbegründet sind. Die Biobranche hat hohe Wachstumsraten, die Gesellschaft will mehr Bio".

Für Scherer bietet das Volksbegehren viele Chancen für die Bauern. Es erhöhe ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, die Umstellung auf Öko-Landbau werde massiv unterstützt, ebenso der Trinkwasserschutz, tiergerechte Ställe und Haltungsformen. Klar ist für ihn allerdings auch: "Das ,Weiter so’ des Bayerischen Bauernverbandes hilft nicht", und die "bisherigen freiwilligen Leistungen der Landwirte im Vertragsnaturschutz- und Kulturlandschaftsprogramm konnten den Artenrückgang nicht aufhalten, obwohl die bayerischen Landwirte dafür circa 250 Millionen Euro pro Jahr erhalten". Dies zeige, dass "mehr und wirksamere Maßnahmen notwendig sind".

 

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