Gunzenhäuser Christkind ein Jahr in der Fremde

4.9.2015, 08:55 Uhr
Gunzenhäuser Christkind ein Jahr in der Fremde

© Privat

Der Auslandsaufenthalt ihrer Cousine war es, der in Pauline das Fernweh geweckt hat. „Ich wollte auch weg“, erzählt sie. Ihr Vater brachte schließlich den Stein ins Rollen und machte sie auf eine Anzeige aufmerksam, in der das Parlamentarische Patenschafts-Programm beworben wurde. So heißt das gemeinsame Jugendaustauschprogramm des Deutschen Bundestags und des US-Kongresses. Jährlich werden rund 300 Stipendiaten ausgewählt und kommen in den Genuss, das jeweils andere Land kennenzulernen.
Und die sympathische Gunzenhäuserin, die in ihrer Heimatstadt 2012 und 2013 als Christkind Kinderaugen zum Leuchten brachte, war eine von ihnen. Im Februar letzten Jahres kam nach
einem Auswahlwochenende die Zusage, „und meine Eltern waren geschockt“, erinnert sich die 17-Jährige, die damals kurz vor ihrem Abschluss an
der Mädchenrealschule Hensoltshöhe stand und bis zu ihrer Abreise noch so allerhand Vorbereitungen zu treffen hatte. Ein Visum musste her, der Impfstatus aufgefrischt, der Flug gebucht und eine Gastfamilie gefunden werden.
Unterstützung gab es vom Verein AFS International, einem weltweiten Anbieter für Jugendaustausch und interkulturelles Lernen. Hier liefen die Fäden für die Formalitäten zusammen, und Mitarbeiter des Vereins standen den jungen Leuten aus aller Herren Länder auch während des gesamten Aufenthalts in den USA als Ansprechpartner zur Verfügung.
Doch bevor der Flieger Richtung Chicago abhob, absolvierte Pauline zusammen mit 60 weiteren Stipendiaten eine Vorbereitungswoche in Weimar. Deutsche und amerikanische Geschichte, aber auch die richtigen Umgangsformen fernab der Heimat standen auf dem Stundenplan. „Uns wurde erklärt, dass wir immer 20 Prozent Trinkgeld geben sollen oder dass eine geschlossene Zimmertür für die Gastfamilie eine Beleidigung sein kann“, berichtet Pauline. Auch das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht üblich. Bevor Jugendliche dort mit 16 Jahren ihren Führerschein machen, werden sie in aller Regel von den Eltern chauffiert.
Das taten auch die Gasteltern, das Ehepaar Felicijan, gerne und oft für die Schülerin aus Deutschland. „Ich wurde überall mit hingenommen, zu Geburtstagen und Festen, als würde ich zur Familie gehören.“ Auch mit ihren zwei „Schwestern auf Zeit“ verstand sie sich prima, auch wenn die mit 14 und zehn Jahren ein bisschen jünger waren. Während ihres Aufenthalts in Portage besuchte Pauline die Abschlussklasse der Highschool. Eine Stunde Englisch am Tag ist Pflicht, alle anderen Fächer können sich die Schüler der letzten Jahrgangsstufe selbst aussuchen. Paulines Wahl fiel auf Inneneinrichtung und Psychologie, sie hätte sich aber auch für Töpfern und Schmuckbasteln entscheiden können.
Nicht ganz so einfach wie gedacht, war die Sache mit der fremden Sprache. „Mit Schulenglisch kommt man nicht sehr weit“, gesteht sie. „Man muss immer wieder nachschlagen“, weshalb es anfangs nicht einfach gewesen sei, Konversation zu führen. Noch jetzt, wieder daheim auf
dem gemütlichen Sofa im elterlichen Wohnzimmer, muss sie lachen: „Meine Gasteltern haben mir nach einem halben Jahr gestanden, dass sie mich am Anfang überhaupt nicht verstanden haben. Sie nickten einfach höflich und lächelten.“
Auch Freunde zu finden, dauerte ein bisschen. „An der Schule dort sind immer Austauschschüler, da ist man nichts Besonderes.“ Doch war das Eis erst gebrochen, wuchs der Freundeskreis schnell, und die Freizeit verbrachte sie häufig mit Gleichaltrigen. „Das ist oft viel spontaner als in Deutschland“, erzählt sie, kennt aber auch die Grenzen der Freiheit: So waren die Gasteltern rund um die Uhr erreichbar, „und das sollte ich auch sein“.

„Frisches Essen habe ich vermisst“

Amerikanische Eltern wollten genau Bescheid wissen, wer mit wem wohin geht. Am liebsten sei es ihnen, wenn sich die Freunde vor dem Ausgehen bei ihnen vorstellen. Mit der Pünktlichkeit dagegen hätten sie es nicht so, und auch an so manche oberflächliche Floskel musste sich Pauline erst gewöhnen: „Sie sagen, lass uns zusammen etwas machen, meinen es aber gar nicht.“
Die größte Umstellung für die weitgereiste Altmühlstädterin aber war das Essen, das überwiegend in Form von Fastfood auf den Tisch kam: „Das frische Essen aus Deutschland habe ich schon vermisst.“ Dafür hat sie sich an die eisgekühlten Getränke gewöhnt, die in den USA üblich sind. „Sogar in meinem Müsli waren Eiswürfel drin.“ Besonders beeindruckt haben sie die Supermärkte, die nicht nur über eine Riesenfläche, sondern auch über eine unglaubliche Auswahl verfügen. Ebenfalls ob ihrer Ausmaße sind ihr die fünfspurigen Straßen mit den großen Pick-ups, die dort jeder fährt, im Gedächtnis geblieben. Dagegen fühle sie sich zurück in der Heimat manchmal doch etwas beengt.
All die frischen Erinnerungen, darunter die Fahrt nach Washington mit dem ASF samt Treffen mit einem Kongressabgeordneten oder ein Abstecher in die Partnerstadt Frankenmuth, werden bald noch um eine Erfahrung reicher: Für die 17-Jährige beginnt in dieser Woche mit einer Lehre zur Chemielaborantin das Berufsleben. Um den Ausbildungsplatz bei der Firma Schlenk-Barnsdorf (Roth) hat sie sich schon vor ihrer Abreise gekümmert – und dabei ein glückliches Händchen bewiesen: Das Unternehmen hat zwei Außenstellen in den USA. Und für Pauline steht fest: „Ich komme garantiert wieder!“

Spätestens wenn sie ihre neuen Freunde aus Mexico, Thailand, Brasilien, Norwegen, Japan und Saudi-Arabien besucht hat. „Die will ich alle wiedersehen!“

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