Heidenheim ehrt jüdischen Gelehrten

11.11.2014, 12:00 Uhr
Heidenheim ehrt jüdischen Gelehrten

© Dressler

Wie mehrfach berichtet, heißt ein Teil der Straße „Im Moos“ nun „Wolf-Heidenheim-Gasse“. Dieser Weg führte früher von der Synagoge (auf dem heutigen Parkplatz des Kreditinstituts) zum nicht weit entfernten jüdischen Schulhaus. Der Namensgeber Wolf Heidenheim (1757-1832) war ein bedeutender jüdischer Gelehrter. Er stammte aus dem Ort im Hahnenkamm, gründete in Rödelheim bei Frankfurt eine Buchdruckerei und wirkte dort viele Jahre. Eines seiner bedeutenden Werke war ein Gebetbuch für jüdische Festtage. Viele seiner Schriften wurden nicht veröffentlicht. Die meisten seiner Manuskripte befinden sich heute in einer Bücherei im englischen Oxford.

Gerhard Kühnel, Vorsitzender der Wolf-Heidenheim-Gesellschaft, erinnerte an die 1854 eingeweihte Heidenheimer Synagoge, die zahlenmäßig recht große Judengemeinde, die zunehmende Überwachung und Schikanierung ab 1933, was in die Ausschreitungen am 9. November 1938 mündete. Vor 76 Jahren seien die jüdischen Bürger von Heidenheim vertrieben und die Synagoge geplündert und niedergebrannt worden. Die Ausschreitungen hätten zwei bis drei Tage gedauert. Danach habe die SA melden können, dass Heidenheim nun „judenfrei“ sei. Lothar Martin, ein Überlebender der NS-Zeit, berichtete Gerhard Kühnel 2011 in Tel Aviv, dass er als Schulkind schon vor 1938 Misshandlungen in Heidenheim erlebte.

Das in jener Zeit zutage getretene Ausmaß an Unmenschlichkeit erscheine heutzutage geradezu unvorstellbar. Viele Heidenheimer hätten bei den Untaten vor 76 Jahren mitgemacht, sei es aus ideologischer Überzeugung, sei es als Mitläufer. Nur wenige hätten Solidarität mit den Juden bewiesen, betonte Kühnel. Als eines der Ziele der Wolf-Heidenheim-Stiftung nannte er, eine Gedenkstätte für Wolf Heidenheim in der alten jüdischen Schule einzurichten. Die Gesellschaft wende sich im Übrigen gegen Diskriminierung jeder Art.

Stellvertretender Landrat Robert Westphal stellte in seine Rede das Leiden der verfolgten Menschen in den Mittelpunkt. Die Juden in ganz Deutschland und eben auch in Heidenheim seien mit Ausgrenzung, Misshandlung, Vertreibung und später dann auch mit den Mordabsichten konfrontiert worden. Dass der Gemeinderat für die Straßenumbenennung stimmte, sah Westphal als Zeichen des Gedenkens und eine Geste an die Opfer und ihre Nachkommen. Straßen und ihre Namen seien Orientierungshilfen. Wer aufrichtig mit der Vergangenheit umgehen wolle, der dürfe nichts verdrängen und nichts beschönigen. Vor diesem Hintergrund sei es leichter und überzeugender, für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung einzutreten.

Bürgermeister Susanne Feller-Köhnlein bezeichnete Wolf Heidenheim als einen bedeutenden Sohn Heidenheims. Doch die jetzige Zusammenkunft habe keinen erfreulichen Grund, da der Blick auf die Pogromnacht vom 9. November 1938, auf die Opfer von organisierter Verfolgung, Zerstörung und von Mord gerichtet sein müsse.

Sechs Neuntklässler der Hahnenkammschule wiesen mit Plakaten und Worten auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde, auf die Synagoge, auf die Schule und auf das Wirken von Wolf Heidenheim hin. Die Gruppe der Heidenheimer Juden umfasste in ihrer Hoch-Zeit, Mitte des 19. Jahrhunderts, über 120 Personen. Im August 1938, vor der sogenannten „Reichskristallnacht“, waren es noch sechs. Begraben wurden die Heidenheimer Juden auf dem zentralen jüdischen Friedhof in Bechhofen.

Indem sie die Namen der 32 Holocaust-Opfer vortrugen, entrissen die Schüler diese Menschen dem Vergessen. Es ist eben ein Unterschied, ob man allgemein von Verfolgung spricht, oder ob man hört, wer ermordet wurde, als verschollen gilt oder sich in völliger Verzweiflung selbst das Leben nahm.
Die Gedenkstunde an der Wolf-Heidenheim-Gasse wurde vom Posaunenchor musikalisch umrahmt.

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