Ilan Katz zu Gast in Gunzenhausen

2.3.2019, 17:25 Uhr
Ilan Katz zu Gast in Gunzenhausen

© Reinhard Krüger

Der Ursprung für dieses Vorhaben liegt viele Jahre zurück. 1999 begann Lehrerin Emmi Hetzner auf Anregung ihres Rektors Franz Müller mit ihren Schülern über das jüdische Leben in Gunzenhausen zu forschen. Eine weltweit beachtete Internet-Plattform, so Bürgermeister Karl-Heinz Fitz in seiner Begrüßung, berichtet über dieses positive Bemühen, mit der Vergangenheit umzugehen.

"Wir wollen einen Dialog mit den Menschen, die in Israel leben. Wie können wir es arrangieren?", fragte er und erzählte, dass 13 Jugendliche aus Rishon LeZion, einer Großstadt in der Nähe von Tel Aviv, im Juni in die Altmühlstadt kommen. "Sie sollen Erfahrungen, Werte und Einstellungen direkt vor Ort in einer deutschen Kleinstadt sammeln", erklärte der Rathauschef die Ziele dieses spannenden Projekts. Fast jedoch wäre das Unternehmen gescheitert, weil lange Zeit nichts vorwärts gegangen ist.

"Keine trockene Materie"

Der Gräfensteinberger Pfarrer Matthias Knoch, ein in Sachen Israel-Reisen profunder Kenner, lief sich buchstäblich die Hacken ab, um doch noch etwas zu bewegen. Jetzt scheint alles "in trockenen Tüchern" zu sein. Neugierige und Interessierte sowie potenzielle Austausch-Jugendliche füllten die bereit gestellten Stühle der Aula zu gut zwei Drittel. Hausherrin und Schulleiterin Sandra Wißgott versprach "keine trockene Materie" und verwies auf den vorangegangenen Tag. "Da hingen unsere Schüler buchstäblich an den Lippen von Ilan Katz."

Ja, und dann stand er nun da mit seinem graumelierten Vollbart, die Haare schon etwas licht, meist mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Blitzgescheit. Sein Deutsch ist perfekt, der Akzent natürlich unüberhörbar. Kein Wunder. "Ich bin vor 69 Jahren in Dänemark geboren, meine Mutter ist Deutsche aus Berlin, mein Vater Österreicher aus Wien." Viele Jahre vorher emigrierten die Eltern aus Nazi-Deutschland. Nach dem Krieg kehrten sie zurück nach Palästina, bevor 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde. Von dort aus besuchte die hochschwangere Mutter mit ihrem Ehemann Dänemark, und genau in diesem Land ist der kleine Ilan auf die Welt gekommen. "Ich habe zwei Identitäten", sagte der Referent. "Ich bin ein Junge und Jude."

Dann erzählte er anschaulich und manchmal auch mit leicht ironischen Unterton à la Ephraim Kishon über sein Land. "Wir sind hochmodern aufgestellt und haben Gesetze wie vor zweieinhalb tausend Jahren." Als Jude gilt der, der von einer Jüdin geboren wurde. Israel nennt sich einen demokratischen Religionsstaat. Die Hälfte der 8,5 Millionen Einwohner sind Palästinenser, klärte Katz auf. Er selbst wohnt mit seiner Familie im Norden des Landes, zehn Minuten von der Grenze entfernt. "Die ersten Raketen treffen uns", sagt er ohne Emotion. Seine Nachbarn sind Araber und sein Apotheker ist Christ.

Kritisch äußerte er sich zum wichtigsten Feiertag der Juden, dem Sabbat. Von Freitagabend an ruht für 24 Stunden fast das komplette Leben im ansonsten hektischen Treiben von Tel Aviv und Jerusalem. "Kein Busverkehr, kein Flieger kann starten oder landen, alle Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, nichts, gar nichts geht mehr", erklärte er leicht kopfschüttelnd. Die ultra-orthodoxen Juden achten besonders streng auf diese uralten Gesetze.

War schon die Biographie von Ilan Katz, der sich als "genetischer Jude" versteht, bunt und abenteuerlich, so machte es seine Tochter nicht viel anders. Sie ist heute 37 Jahre alt. Nach dem Abitur ging sie, wie 99 Prozent aller jungen Menschen dort, zum Militär. Fünfeinhalb Jahre war sie beim Geheimdienst. Danach studierte sie an der Uni in Tel Aviv Psychologie, konnte aber kaum regelmäßig arbeiten, "weil sie immer zu militärischen Übungen musste." Sie ging nach München, lernte dort einen Deutschen kennen und heiratete ihn. "Jetzt lebt sie hier bei euch."

Drei große Religionen

Katz fragte viel, begann seine kurzweiligen Ausführungen meist mit einer Frage. "Was sind unsere Wurzeln?" oder: "Warum ein Austausch mit einem Land, das einst unsere Familien zerstört hat?" Aber auch: "In Israel gibt es mehr VW aus Deutschland als Juden. Die meisten Waffen, die Israel kauft, stammen aus deutschen Produktionen." Der jüdische Staat ist schon sehr komplex aufgestellt. So dürfen beispielsweise nur Juden dorthin emigrieren. Israel gilt als Sicherheitsplatz für alle Juden weltweit.

Er lobt sein "wunderschönes Land" über den grünen Klee, hebt die ökonomische Landwirtschaft hervor und den Reichtum, den seine jüdischen Landsleute aus 187 unterschiedlichen Kulturen in dem kleinen Land ausleben. Dazu zählt sicher auch die einmalige Situation, dass drei große Religionsgemeinschaften, die den Glauben an einen einzigen Gott vertreten, in Israel ihren Ursprung haben: Juden, Christen und Muslime. Als Beispiele dienen die jeweiligen Hauptheiligtümer: die Grabeskirche, die Klagemauer und der Felsendom. "Alle drei stehen in Jerusalem auf einer Fläche von weniger als einem Quadratkilometer."

"Wie kommen wir also zu einem Verständnis untereinander", lautete Katz’ provokante Frage, die ihm prompt die Argumentation für einen Austausch junger Leute aus beiden so unterschiedlichen Ländern und Kulturen liefert. "Viele junge Israelis wollen nach Deutschland", verriet Katz. Warum? "Hübsche, blonde Frauen und BMW", sagte er mit schelmischem Unterton und fügte aber noch diesen Satz an: "Deutsche haben Opa getötet." Da ist das Thema, das alle angeht. Deshalb, so Bürgermeister Fitz, "wollen wir mit einer neuen Entwicklung beginnen".

Deshalb, so Lisa Schaller, die mit ihrer 17-jährigen Tochter Maja zur Veranstaltung in der Stephani-Schule gekommen ist, "wollen wir einen Beitrag gegen den schleichenden Antisemitismus leisten." Maja macht in wenigen Monaten ihr Abitur und freut sich, wenn jemand aus Rishon LeZion bei ihr für die eine Woche wohnen würde. Den Vortrag fand sie schon mal "super interessant".

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