Im Gunzenhäuser Repair-Café durftet es nach Heimat

18.7.2018, 17:50 Uhr
Im Gunzenhäuser Repair-Café durftet es nach Heimat

© Tabea Jung

Mit routinierten Bewegungen wischt Manal Alkayat die Theke ab, holt eine Milchtüte aus dem Kühlschrank und schaltet die Kaffeemaschine an. Es ist Punkt 14 Uhr, im Café "Mittendrin" in Gunzenhausen ist es gestopft voll. Auf gepolsterten Stühlen sitzen Menschen jeglichen Alters an Tischen mit grün-weiß gepunkteter Decke, vor ihnen verstreut liegen Einzelteile elektronischer Geräte.

Jeden letzten Freitag im Monat verwandelt sich der Ort für vier Stunden in ein sogenanntes "Repair Café": Dorthin können Besucher kaputte Haushaltsgeräte zum Reparieren bringen — und sie mit ein bisschen Glück wieder wie neu mit nach Hause nehmen. "Wir haben sieben Handwerker, die sich ehrenamtlich um die kaputten Gegenstände kümmern", erklärt Margit Kleemann, die das "Repair Café" im März 2017 ins Leben rief.

Die Berufs- oder Hobbyklempner haben einiges zu tun: Ein älterer Mann mit Cordhose und Hornbrille trägt mühsam einen Drucker durch die offene Tür, andere haben einen Radio, einen Wecker oder auch eine Kaffeemaschine in der Hand. Aber nicht nur die Tüftler sind am Werkeln, auch die Syrerin hinter der Theke hat viel zu tun: Zwischen "Ein Cappuccino bitte" und "Noch Zucker?" wuselt sie von der Kaffeemaschine zu den Fragestellern, und schafft es dabei galant, mit den meisten noch ein Pläuschchen zu halten.

Die 36-Jährige hat freundliche haselnussbraune Augen, trägt eine schwarze Strickjacke und ein rosa geblümtes Kopftuch. "Neu gekauft", kommentiert sie und dreht sich lachend einmal im Kreis, um das Stück Stoff besser zur Schau zu stellen.

Wer sie so ansieht, kann sich kaum vorstellen, was Alkayat in ihrem Leben schon durchgemacht hat: Vor zweieinhalb Jahren ist sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn aus Syrien geflüchtet, das Boot, das sie übers Mittelmeer trug, war nur für 30 Menschen ausgelegt; trotzdem waren es letztendlich 65 Menschen samt Hab und Gut, die sich auf engsten Raum quetschen und während der Überfahrt Todesängste ausstehen mussten.

Über die Türkei und Griechenland gelangte die Familie nach Deutschland, in Oberasbach hauste sie zusammen mit anderen in einer Flüchtlingsunterkunft. "Immer zwei Familien haben in einer Wohnung gelebt", erinnert sich Alkayat und fügt hinzu: "Jetzt geht’s uns besser". Seit eineinhalb Jahren bewohnt sie mit Mann und Sohn eine eigene Bleibe in Büchelberg: "Die hat sogar vier Zimmer!".

Mit einem Piepen kündigt sich die fertige Spülmaschine an, zeitgleich öffnet sich die Tür des Cafés, und zwei dunkelhaarige Männer treten ein. "Mein Mann Mahmoud und mein Sohn Ahmad", verkündet Manal Alkayat strahlend und raunt den beiden etwas auf Arabisch zu. Sofort nehmen sie sich zwei rot-weiß karierte Geschirrtücher und beginnen einvernehmlich, Gläser und Teller aus der Spülmaschine abzutrocknen.

Kennengelernt hat Alkayat ihren späteren Mann im Jugendalter, beim Einkaufen in seinem Kleidergeschäft in Damaskus. Mit 16 hat sie ihn geheiratet und sich fortan um den Haushalt und den gemeinsamen Laden gekümmert; nebenbei lernte sie und machte von zuhause aus ihr Abitur. Am meisten Spaß habe ihr aber schon immer das Kochen gemacht.

Vor ihrer Flucht nach Deutschland lebte die Familie drei Jahre in Jordanien, "da hab ich als Chefköchin in einem Restaurant gearbeitet", sagt die 36-Jährige stolz, während sie zwei Silbertabletts mit syrischen Gebäckstücken auf der Theke abstellt. "Ftaier bl gbn" nennen sich die fluffig weichen Blätterteigtaschen mit Geflügelsalami und Käse, natürlich ist alles "halal, also "rein", — und somit auch für Muslime erlaubt.

Als Nachspeise gibt es "Hlaue Algbn", das sind mit Mascarpone gefüllte Grießbällchen, garniert mit Kokosraspeln und einer Pistazie. "Die sind ja spitze!", ruft ein junger Mann Alkayat von einem Tisch aus zu und reckt den Daumen hoch. Die Syrerin schaut fragend zu Margit Kleemann. "Spitze bedeutet so viel wie ‚super!‘", erklärt diese, und die Köchin strahlt.

Deutsch gelernt hat sie in einem achtmonatigen Kurs an der Volkshochschule, "mit 26 von 33 Punkten im Abschlusstest", fügt sie mit einem leichten Lächeln hinzu. Die Sprache öffnete ihr die Tür zur Arbeitswelt: Zehn Monate lang war sie Vollzeit als Küchenhilfe im Hotel "Adlerbräu" in Gunzenhausen tätig, wegen Rückenproblemen musste sie kürzer treten, nun ist sie auf der Suche nach einer Teilzeitstelle.

Die Arbeit im Café "Mittendrin" macht Manal Alkayat ehrenamtlich, sie möchte etwas für die Gesellschaft tun, sich noch besser integrieren, ihre Sprache verbessern. Trotzdem vermisst sie ihre Heimat. Ihren Vater und ihre Geschwister hat sie in Damaskus zurückgelassen, vor fünf Jahren haben sie sich zuletzt gesehen. "Ich würde gerne wieder nach Syrien zurückkehren, aber erst, wenn es wieder sicher ist", sagt sie mit Blick auf ihren Sohn. Dann sieht sie hoch und lächelt wehmütig: "Inzwischen ist Deutschland meine zweite Heimat geworden."