In Schlungenhof ist Präzisionsarbeit gefragt

18.4.2018, 06:19 Uhr
In Schlungenhof ist Präzisionsarbeit gefragt

© Wolfgang Dressler

Personalleiter Wolfgang Pendelin machte aus der Not eine Tugend und "lotste" alle Interessierten auf einmal durch die Fabrik an der Ansbacher Straße. Dabei wurde Sicherheit großgeschrieben, und ein Fotografierverbot gab es auch. Dieses war nicht als Schikane gegen die Presse gedacht, sondern dient dazu, dass kein Know-how an die Konkurrenz gelangen kann. Die Bosch-Technologie ist weit fortgeschritten und soll bei Bosch bleiben.

Im Werk II entstehen die großen Industrie- und Heizkessel. Sie gehen nach der Produktion in alle Welt mit Ausnahme von Nordamerika. Viele werden dann in der Getränke- und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Auch Papierfabriken gehören zu den Kunden. Bei vielen Bosch-Kesseln liegt die Leistung zwischen 600 und 800 kW, informierte Pendelin. Damit ist klar: Die Kessel werden von Großkunden geordert, nicht von Privathaushalten. Genau gesagt liefert die GmbH nicht direkt zum Beispiel an einen Bierbrauer, sondern an einen Anlagenbauer, der eine neue Brauerei bauen soll. Pendelin sprach von einer auftragsbezogenen Einzelfertigung. Jeder Kessel sei so ein Unikat.

Die Kessel haben einen durchschnittlichen Auftragswert von 150 000 bis 160 000 Euro. Die allergrößten haben einen Durchmesser von 4,70 Metern, sind neun Meter lang und wiegen 95 Tonnen. Diese Giganten gelangen per Schwertransport zum Hafen Roth. Dafür stehen zwei Routen zur Verfügung — über Kleinweingarten oder über Fiegenstall. Sollte es auf diesen Strecken Veränderungen geben, etwa eine neue Unterführung, wäre das für das Gunzenhäuser Unternehmen schwierig bis fatal. Eine freie Verbindung zum Rother Hafen muss auf jeden Fall sein, informierte Pendelin seine Gäste.

Die Führung war gerade deshalb interessant, weil sie ganz nahe an die eigentliche Produktion heranreichte. Da war vom Blechlager, von der Blechwalze, von Flammrohren und Rauchrohren und von der Kesselkörperschweißerei die Rede. Die hohe Qualität der Bosch-Großkessel wird durch exaktes Arbeiten und die Kompetenz der Mitarbeiter erreicht. Die Kessel stehen später unter einem hohen Druck. Die Schweißnähte müssen deshalb geradezu perfekt sein, das wird immer wieder ganz genau geprüft, etwa durch Röntgen. TÜV-Leute sind des Öfteren in Schlungenhof und sind auch auf den Baustellen präsent.

Die "reine Durchlaufzeit" im Werk II beträgt drei bis vier Wochen, dann ist der Kessel fertig. Die Zeitspanne vom Auftragseingang bis zur Fertigstellung ist aber bedeutend länger, nicht zuletzt deshalb, weil Bosch einige Teile bestellen muss. So kommen die Kesselböden von einem Lieferanten. Die notwendigen Löcher müssen dann in Schlungenhof herausgeschnitten werden.

Wie im Hochseilgarten

Es hängt im Werk II, wo in zwei Schichten gearbeitet wird, wirklich viel von den Schweißern ab, auch das war eine Erkenntnis der 70-minütigen Führung. Sie arbeiten außen an den Kesseln, müssen sich zudem im Innern bewegen können. Für ihre Arbeit brauchen sie freie Hände. Wenn sie oben auf den Kesseln stehen, sind sie über ein Gestell und ein Seil gesichert. Das Ganze funktioniert wie in einem Hochseilgarten. Und die Kesselzylinder werden mit Kränen bewegt, die bis zu 120 Tonnen Tragkraft haben.

Der Schwerpunkt liegt weiterhin in der manuellen Fertigung, es ist viel "Handarbeit" angesagt. In den Spitzen- und Urlaubszeiten im Sommer nimmt Bosch auch Leiharbeiter in Anspruch. Generell gilt: TÜV-geprüfte Schweißer zu bekommen, ist schwierig.

Personalchef Pendelin weiß, was er an seinen Leuten hat. Schon immer war bei Loos/Bosch die Betriebstreue groß. Die Firma hielt ihre Mitarbeiter, und die blieben ihrem Arbeitgeber treu. Nicht ohne Grund kann so mancher Beschäftigte sein 40-jähriges Dienstjubiläum und mehr am Standort Gunzenhausen feiern.

Allein schon wegen des Fachkräftemangels wird sich Bosch Industriekessel künftig wohl noch mehr Gedanken über eine Automatisierung von Produktionsabläufen machen. Und das Gewinnen von Nachwuchs für das Erlernen von Metallberufen hat oberste Priorität. Die Blicke richten sich auch auf die Mädchen. Bosch lädt sie in den Pfingstferien zu einer Girls-Woche ein und bindet dabei auch das Elternhaus ein.

In Schlungenhof ist Präzisionsarbeit gefragt

© Wolfgang Dressler

Zum Abschluss brach Wolfgang Pendelin eine Lanze für die älteren Mitarbeiter. Sie sind erfahren, arbeiten effektiv. Dass sie körperlich mit den Jungen nicht mehr zu hundert Prozent mithalten können, gleichen sie so aus. Außerdem sind die Älteren seltener krank als die Jüngeren. Letztere haben natürlich einen Vorsprung bei allem, was sich um Elektronik dreht.

Und die Zukunft für die Bosch Industriekessel GmbH? Es könnte einmal dazu kommen, dass die Firma keine Kessel mehr an die Kunden liefert, sondern ihnen Dampf verkauft. Was derzeit eher als Gedankenspiel gesehen werden muss, könnte durchaus Realität werden. Wolfgang Pendelin, seit 29 Jahren bei Loos/Bosch, weiß, dass nichts beständiger ist als der Wandel.

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