Jugend erwartet von den Politikern mehr als schöne Worte

11.10.2018, 18:13 Uhr
Jugend erwartet von den Politikern mehr als schöne Worte

© Tina Ellinger

Etwa 300 Schüler aus 13 Klassen machen an der Berufs- und der Wirtschaftsschule mit, erklärt Jörg Daschner. Der Sozialkundelehrer und Fachbetreuer für allgemeinbildende Fächer und seine Kollegen haben zu diesem Zweck ein Klassenzimmer zum Wahllokal umfunktioniert. Zwei Wahlkabinen bieten die nötige Privatsphäre, ein Wahlvorstand — bestehend aus drei Schülern — sorgt für einen reibungslosen Ablauf. An der Wand hängen die Stimmzettel mit den Kandidaten, den gleichen, wie sie am Sonntag auch die "Großen" wählen dürfen.

Alles läuft also genauso ab wie bei der echten Landtagswahl. "Originalgetreue Wahlsimulation" heißt das in der Beschreibung des Projekts, das 1999 vom gemeinnützigen und überparteilichen Verein "Kumulus" mit Sitz in Berlin ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, Demokratie zu üben und zu erleben und damit Schüler frühzeitig an das Thema Wahlen und Politik heranzuführen. Neben der Motivation, zur Wahl zu gehen, sollen Begeisterung und Interesse an Politik geweckt und somit die Grundlage für späteres gesellschaftliches Engagement gelegt werden.

Seit 1999 haben bereits 2,8 Millionen Schüler an der Juniorwahl teilgenommen. Mitmachen kann grundsätzlich jeder Schüler ab der 8. Klasse, auch über 18-Jährige und ausländische Jugendliche, erläutert Daschner die Besonderheiten. Die Schirmherrschaft haben Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags, und Kultusminister Bernd Sibler inne. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen erhöht sich die Wahlbeteiligung der beteiligten Eltern um durchschnittlich vier Prozent, zudem sinkt der Anteil der Nichtwähler bei Erstwählern0 von 22 auf sieben Prozent.

Auch bei seinen Schülern stieß der Sozialkundelehrer bei der Vorbereitung auf die Juniorwahl durchaus auf Interesse an politischen Themen. Eine davon ist Lisa-Marie Romih aus Absberg. Sie ist im zweiten Lehrjahr zur Kauffrau für Büromanagement und darf mit ihren 22 Jahren am 14. Oktober ihre "reale" Stimme abgeben. Wählen zu gehen, ist für sie selbstverständlich. "Ich hab schon Briefwahl gemacht", betont die junge Frau, die sich im Vorfeld intensiv mit den unterschiedlichen Parteiprogrammen auseinandergesetzt hat.

Neben den meist auf den Homepages der Parteien gesammelten Informationen hat ihr der Unterricht an der Berufsschule bei der Entscheidungsfindung geholfen. "Wir haben sehr offene Lehrer, die auf aktuelle und auch lokale Themen eingehen", lobt sie. Von der Politik in München wünscht sie sich "mehr Ehrlichkeit und Transparenz, nicht nur schöne Worte". Außerdem sollten die Politiker ihrer Meinung nach verstärkt die Zukunft im Blick haben: "Eine bessere, eine gesunde Balance etwa zwischen den Interessen der Wirtschaft und des Umweltschutzes wäre gut. Arbeit ist wichtig, aber unser Planet auch."

Das wünscht sich auch ihre Klassenkameradin Sophia Wagner, die sich bis zur Vorbereitung auf die Juniorwahl in der Berufsschule noch nicht so wirklich konkrete Gedanken über politische Themen gemacht hat. "Mehr auf die Umwelt achten und nicht nur reden, sondern auch handeln", lautet jetzt ihr Appell an die gewählten Volksvertreter. Anhand des "Wahlomats" hat die 17-jährige Gunzenhäuserin versucht, herauszufinden, welche Partei wohl am besten zu ihr passt. Dass sie — wenn sie alt genug ist — auch tatsächlich zur Wahl gehen wird, kann sie sich mittlerweile schon gut vorstellen.

Nicht hinzugehen, kommt für Dominik Wesolowski aus Burgsalach gar nicht in Frage. Man könne zwar mit einer Stimme nicht so viel bewegen, aber "es ist besser, wählen zu gehen, als nichts zu tun", ist der 18-Jährige überzeugt, der am Sonntag auf jeden Fall das Wahllokal aufsucht. Über das Elternhaus und verschiedene Medien hat der angehende Bürokaufmann bereits einiges über Politik mitbekommen und sich so seine Gedanken gemacht: "Menschen ab 70 Jahren sollten gar nicht mehr wählen dürfen. Die Nachkommen müssen ja mit diesen Entscheidungen leben", meint er und hat mit dem Brexit auch gleich ein aktuelles Beispiel parat.

Nicht ganz einverstanden erklärt sich der junge Mann mit dem geänderten Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Die vielen Kontrollen hält er dann doch für etwas übertrieben. Auch von den Wahlparolen der Parteien will er sich nicht täuschen lassen: "Die locken mit Versprechungen und dann passieren im Hintergrund ganz andere Dinge."

Gute Erfahrungen gemacht

Auch am Simon-Marius-Gymnasium haben dieses Jahr 88 Schüler der Q 11 an der Juniorwahl teilgenommen. Schon im letzten Jahr wurde dort eine Wahl im Vorfeld der Bundestagswahl durchgeführt. Sozialkundelehrerin Cornelia Stegmaier erzählt, dass die Jugendlichen bereits in der zehnten Klasse in zwei Stunden Sozialkundeunterricht pro Woche auf die Wahl vorbereitet wurden. Außerdem wurden auch der Wahlomat und die Veranstaltung "Roasted" empfohlen. In der elften Jahrgangsstufe wurde das Thema Wahl dann wieder aufgegriffen.

Jugend erwartet von den Politikern mehr als schöne Worte

© Sophia Raab

Von den Schülern habe es schon im letzten Jahr ein positives Feedback gegeben und sie gingen ernsthaft an die Sache heran, was auch an den Auswertungen der Ergebnisse ersichtlich war, so Stegmaier. Ihre Meinung: "Es lohnt sich auf jeden Fall. Es sieht aus, wie ein richtiger Wahlakt. Die Schüler müssen ihren Personalausweis zeigen, bekommen eine Wahlbenachrichtigungskarte und einen Stimmzettel, der dem Original sehr ähnlich sieht." Durch die Juniorwahl würden "die Hemmungen, zum ersten Mal zu einer Wahl anzutreten, möglicherweise abgebaut, deshalb ist es auch ein lohnendes Projekt für die nächsten Erstwähler", betont die Lehrerin am Gunzenhäuser Simon-Marius-Gymnasium.

Vor allem der Vergleich zu den echten Wahlergebnissen der Landtagswahl dürfte interessant werden. Dort sehe man auch den Unterschied zwischen jüngeren und älteren Wählern.

Auch dieses Jahr äußern sich die beteiligten SMG-Schüler durchaus positiv zur Juniorwahl. Die Stimmzettel seien zwar etwas anders, jedoch mache man eine schöne und lehrreiche Erfahrung. Und im Übrigen sei man ganz einfach mächtig gespannt auf die Ergebnisse.

ZWie die jungen Leute in Bayern gewählt haben, ist am Sonntagabend nach der Schließung der Wahllokale unter www.juniorwahl.de abrufbar.

Keine Kommentare