Kerwa in Gunzenhausen: So fing alles an

9.9.2017, 07:00 Uhr
Kerwa in Gunzenhausen: So fing alles an

© Stadtarchiv Gunzenhausen

Amtlich verbrieft wird in der Altmühlstadt seit mindestens 612 Jahren Kerwa gefeiert. Wahrscheinlich auch schon länger, denn die Anfänge der heutigen evangelischen Stadtkirche St. Marien gehen laut Werner Mühlhäußer bis ins 12. Jahrhundert zurück. Zunächst erinnerte das rein sakrales Fest an die Weihe des neu erbauten Gotteshauses.

Doch Feste muss man feiern, wie sie fallen, und so entwickelte sich um die Kirchweih herum bald auch ein weltliches Treiben. Wer die Erlaubnis erhielt, richtete einen Jahrmarkt aus. Das war für jeden Ort ein wichtiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Faktor. Ein Jahrmarkt zog Händler und Käufer gleichermaßen in die Stadt. Und den Bürgern wurden Waren angeboten, die sie nicht alle Tage bekamen: Spezereien, Gewürze, Samt, Seide und Spitzen.

1401 gestattete der Burggraf Friedrich V. von Nürnberg als Eigentümer der Altmühlstadt die Verschiebung des achttägigen Kirchweihmarkts während der Pfingstzeit. Diese älteste Urkunde der Stadt in Sachen Kirchweih ist eine der Schätze im Stadtarchiv und deutet an, dass auch schon vorher Kerwa in Gunzenhausen gefeiert wurde. Der Termin wurde übrigens immer mal wieder verschoben, seit 1715 aber hat die Kerwa ihren festen Platz im September.

Dass die Stadt anlässlich der Kirchweih einlädt, wie heutzutage am Mittwochabend, ist keine neuzeitliche Sitte. Schon 1739 bat der Rat Markgraf Carl Wilhelm Friedrich zum Bürgerschießen mit anschließendem Festessen. Allein, der Fürst erschien nicht persönlich, sondern schickte einige seiner Hofkavaliere.

Zwar kein Essen, aber immerhin Getränke reichlich gab es 1562 für den Stadtvogt. Im Stadtsäckelmeisteramt wurde ein Rechnung über 24 Maß (260 Liter) Rot- und Weißwein als Geschenk an den für die Rechtssprechung zuständigen Herrn verbucht. Arme Studenten und Landsknechte erhielten auch schon mal eine finanzielle Unterstützung.

Nach und nach rückte der Schießwasen als Festplatz in den Mittelpunkt des Geschehens. 1818 etwa berichtet Johann Leonhard Wucherer in seinem Tagebuch von drei Bierschankstätten, in einer wurde nach seinen Aufzeichnungen sogar getanzt. Doch die Kerwa blieb weiterhin ein Fest, das in der ganzen Stadt gefeiert wurde. Es gab Kirchweihbälle, auch Konzerte und in den Gaststätten wurde besonderes Essen angeboten: Zur Schlachtschüssel wurde "neues Sauerkraut" gereicht, wie es etwa der "Fränkische Hof" 1868 annoncierte.

Bier und Kirchweih das gehört zusammen wie Hopfen und Malz. Entsprechend groß war die Empörung, als sich 1888 wie ein Lauffeuer verbreitete, dass das Bier von schlechter Qualität sei. Der Magistrat ließ den Gerstensaft von der königlichen Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel in Erlangen testen und gab anschließend das Ergebnis bekannt. Es besagte, dass die Proben "in ihrer Zusammensetzung normale Verhältnisse besitzen, frei von fremden Beimengungen sind und daher zu keiner Beanstandung Veranlassung gegeben haben". Na dann: Hoch die Tassen!

Übermäßiger Alkoholgenuss tat bereits unseren Vorfahren nicht immer gut, weshalb das königliche Landgericht zur Kirchweihzeit besonders gefordert war. 1868 etwa wurden dort etliche Missetäter wegen Ehrenkränkungen, Beleidigungen, Misshandlungen, Raufereien oder Ruhestörungen abgeurteilt, berichtet der Stadtarchivar.

Die Bierseeligkeit der Festwoche spiegelt sich nicht nur in den drei Schänken wieder — wobei 1912 wegen anhaltender Regenfälle und Überschwemmungsgefahr nur eine aufgebaut werden konnte — auch durch die themenbezogenen Postkarten, die 1898 erstmals aufgelegt wurden, rollt das ein oder andere Fass Bier.

Zwischen 1914 und 1918 pausierte die Kirchweih aus naheliegenden Gründen, im 2. Weltkrieg nahm man es da nicht mehr so genau. Zwar fiel das Fest 1939 — der Überfall auf Polen war erste wenige Tage alt — ins Wasser, von 1940 bis 1944 fand das Volksfest aber statt — allerdings ohne Bier. Doch der Rummel seit damals stramm im Zeichen der Hakenkreuzflagge. An der von der Stadt Gunzenhausen betriebenen Glücksbude beispielsweise gab es Hitlerbüsten in verschiedenen Farben, "Mein Kampf" oder "Hitlerjunge Quex" zu gewinnen.

Richtig teuer kam ein Besuch auf dem Festplatz die Gunzenhäuser im Jahr 1923. Allein eine Fahrt mit der Berg- und Talbahn kostete 100 000 Mark. Es war das Jahr der Hochinflation, die Preise stiegen damals stündlich und letztendlich ins Unermessliche. Obwohl nahezu nichts konsumiert wurde, zog der Altmühl-Bote damals Bilanz, war der Papiermarkverbrauch dennoch ein "geradezu wahnwitziger".

Nach mageren ersten Friedenskirchweihen boten die Metzgereien schon 1947 wieder die Kirchweih-Bratwürste an. Allerdings lagen ihre beiden Enden laut Zeitzeugen "recht dicht beieinander". Und das "Dünnbier" floss in Strömen.

Apropos Gerstensaft: Mit 6 Kreuzer (etwa 0,0025 Cent) war der Preis für eine Maß 1859 noch recht gemäßigt. Auch die 60 Pfennig im Jahr 1938 ließen sich wohl verschmerzen. Nach dem Krieg entwickelte sich der Bierpreis kontinuierlich von 1,10 Mark (1951) auf heute 5,90 Euro nach oben.

 

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