Landkreisbündnis gegen TTIP in Weißenburg gegründet

16.10.2014, 20:00 Uhr
Landkreisbündnis gegen TTIP in Weißenburg gegründet

© Natalis

Die Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP und TISA) beziehungsweise Kanada (CETA) werden seit Monaten hinter verschlossenen Türen verhandelt. Allein das ist für Hans Sterr Grund genug, stutzig zu werden. Denn ein solches Abkommen sollte ja eigentlich den Bürgern, die in der Freihandelszone wohnen, zugutekommen. Geheimniskrämerei wäre da doch nicht nötig. Das Wort Partnerschaft in Transatlantic Trade and Investment Partnership suggeriere ja zunächst, dass man sich hier auf Augenhöhe begegne, doch tatsächlich gehe es bei dem Abkommen allein um das „knallharte Durchsetzen von Interessen“, und zwar die Interessen von global agierenden Großkonzernen.

Diese Geheimverhandlungen sind für Hans Sterr ein zutiefst undemokratischer Prozess, es fehle jegliche Transparenz. Dennoch sickert immer wieder etwas an die Öffentlichkeit, und was man da zu hören bekommt, lässt einem teilweise die Haare zu Berge stehen. Da ist das vieldiskutierte Chlorhühnchen für Sterr noch das harmloseste. Schlimmer sind Regelungen, dass gentechnisch veränderte Nahrungsmittel künftig nicht mehr als solche gekennzeichnet werden müssen und, im Umkehrschluss, auch niemand damit werben darf, dass sein Lebensmittel gentechnikfrei ist, denn das wäre dann ja eine Benachteiligung der Mitbewerber.

Dass einmal ausgehandelte Standards, sei es im Lebensmittelbereich oder, für den Gewerkschafter nicht minder wichtig, im Bereich der Arbeitnehmerrechte, durch die Hintertür auf diese Weise ausgehebelt werden könnten, mag Sterr nicht hinnehmen. Gegen ein Angleichen an amerikanische Verhältnisse, wo beispielsweise Gewerkschaften in einem Betrieb nur mit Genehmigung des Inhabers agieren können, gelte es Widerstand zu leisten „Das größte Gift“ aber ist für Sterr  das „Trade in Services Agreement“ (TISA), das auf die Öffnung des Dienstleistungsbereichs für den globalen Wettbewerb abziele und lokale Besonderheiten eliminieren wolle. Ob Bäder oder Büchereien, Schulen oder Stadtwerke, der öffentliche Personennahverkehr oder Straßenbau, dieses Abkommen zielt laut Sterr auf „alles, was wir an kommunaler Daseinsvorsorge haben“, ab. Und die Verhandlungen zu diesem Abkommen sind sogar so geheim, dass sie das auch noch fünf Jahre nach Inkrafttreten (oder Nicht­inkraft­treten) bleiben. Da fragt sich Sterr doch, was da im Verborgenen gemauschelt werde. TISA komme einem „Ermächtigungsgesetz“ gleich. Als Beispiel für die vielen „Schweinereien“ nennt Sterr etwa die „Stillhalteklausel“, die besage, dass eine einmal privatisierte Leistung nicht rekommunalisiert werden kann, oder die „Einrastklausel“, die Veränderungen im Vertrag nur zugunsten der Konzerne zulasse. Sterr ist sich sicher: „Diese Gruselkammer darf nicht wahr werden“.

Als „Blaupause“ für TTIP und TISA muss CETA (Canada – EU Trade
Agreement) angesehen werden, das bereits ausverhandelt, aber noch nicht in Kraft getreten ist. CETA ist nach Sterrs Schilderung das „Einfallstor für Konzerne“, denn sie könnten, so sie einen Sitz in Kanada haben, ihre Interessen in Europa auch ohne TTIP einklagen.

Und zwar vor Schiedsgerichten, und das ist für Sterr das Empörendste überhaupt an dieser Sache. Denn Schiedsgerichte tagen unabhängig von den nationalen Gerichten und die Urteile fällen keine unabhängigen Richter. Ursprünglich eingeführt, um Handelsverträge auch mit politisch instabilen Ländern zu ermöglichen, setzen sie nach Sterrs Meinung Deutschland mit einer „Bananenrepublik“ gleich. Ein absolutes Unding für Sterr, der nicht nachvollziehen kann, wieso unsere Politiker die Verhandlungen nicht spätestens an diesem Punkt, der „zum sofortigen Davonlaufen“ sei, abbrechen. Denn: „Wir sind ein Rechtsstaat“, und zwar ein funktionierender.

Das sind nur ein paar der vielen Gründe, die nicht nur für Sterr gegen diese Freihandelsabkommen sprechen. Auch diejenigen, die sich im Saal des „Brandenburger Hofs“ versammelt hatten, wollen diese „Zerstörung der Fundamente unserer Gesellschaft“, wie es einer von ihnen ausdrückte, verhindern. Sie haben deshalb an diesem Abend das Landkreisbündnis „Weißenburger Plattform gegen TTIP, TISA und CETA“ ins Leben gerufen, das sich nicht nur für eine verstärkte Thematisierung in Weißenburg-Gunzenhausen und transparente Verhandlungen einsetzen wolle, sondern auch für die Rechte der Arbeitnehmer, den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie ein soziales Europa einstehe. Die Abkommen, so formulierte die Vorsitzende des veranstaltenden ver.di-Ortsvereins Altmühltal das Ziel, „müssen um jeden Preis verhindert werden“.

Gründungsmitglieder des Bündnisses sind der ver.di-Ortsverein Altmühltal, die Kreisverbände von GEW, DGB, SPD, Piraten und ÖDP sowie die EU-politische Initiative Pappenheim und der Weißenburger Ortsverein der Linken.

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