Metaller bekunden ihren Kampfeswillen

14.5.2012, 19:41 Uhr
Metaller bekunden ihren Kampfeswillen

© Dressler

Um 10 Uhr ging auf der Industriestraße vor dem Schaeffler-Werk nichts mehr. Der Verkehr wurde umgeleitet, die Polizei war vor Ort (was von der Gewerkschaft dankbar registriert wurde), und rund 140 Mitarbeiter der großen Fabrik des Herzogenauracher Konzerns nahmen an der einstündigen Kundgebung teil.

Sie bekamen Kaffee und Gebäck, viele hatten die Warnstreik-Westen übergezogen, andere benutzten die obligatorische Trillerpfeife. Mit der Beteiligung waren sowohl Franz Spieß, der 2. Bevollmächtige der IG Metall (IGM) Schwabach, als auch Betriebsratsvorsitzender Andreas Schmid sehr zufrieden.

Gewerkschafts-Forderungen liegen seit Monaten auf dem Tisch

Die Tarifauseinandersetzung in Bayern­ scheint festgefahren, auch die jüngste Verhandlungsrunde in Schweinfurt brachte keine Bewegung. Nach Ansicht der Gewerkschaft mauert der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM) derzeit. Die Blicke richten sich nach Baden-Württemberg, wo eventuell die Tarifrunde exemplarisch für alle Bezirke ausgefochten wird.

Die Forderungen der Gewerkschaft liegen seit Monaten auf dem Tisch: 6,5 Prozent mehr Gehalt, Übernahme aller Auszubildenden nach der Lehre garantiert für ein Jahr, mehr Mitsprache in den Betrieben beim Einsatz der Leiharbeit. All das ist nach Überzeugung von Spieß gerechtfertigt, und mit dem Einsatz des gesunden Menschenverstands ließe sich auch eine Übereinkunft erzielen, ohne dass es zum großen Streik kommen müsste.

Dass diesmal eine Vier vor dem Komma bei der Lohnerhöhung stehen müsse, sei angesichts der guten Lage der Branche, der kräftigen Gewinne der Betriebe und der Preissteigerungen im täglichen Leben, mit denen die Lohnempfänger zu kämpfen hätten, mehr als gut begründet. Die Übernahme der Lehrlinge bedeute nicht, dass hier eine „Verbeamtung“ stattfinde, die Gewerkschaft sei im Übrigen zu flexiblen Lösungen vor Ort bereit.

Leiharbeit: Zum gängigen Geschäftsmodel verkommen

Besonders hart sind die Position und die Kritik der Gewerkschaft aber wegen der Leiharbeit. Hier fand der IGM-Vertreter harte Worte. Vor 20 Jahren habe er sich das heutige Ausmaß der prekären Beschäftigung nicht vorstellen können. Leiharbeit – Spieß schloss auch die Werkverträge ein – sei zu einem gängigen Geschäftsmodell geworden, das zur Maximierung der Gewinne missbraucht werde. Hier müsse der Verband der Metall- und Elektrofirmen aufpassen, dass er nicht den gesellschaftlichen Frieden gefährde. Das gelte insbesondere für die großen Firmen wie BMW und Audi, dort werde Leiharbeit im großen Stil praktiziert und zugleich das, was so eingespart werde, der festen Belegschaft als Bonus ausgezahlt.

Die Gewerkschaft wolle dort, wo Leiharbeit relativ stark in Anspruch genommen werde, mehr Einfluss erreichen, darauf komme es an. Zur Situation der Auszubildenden sagte der Gewerkschafter, es könne nicht sein, dass in einem Betriebe beispielsweise nur ein Drittel von ihnen übernommen werde, während gleichzeitig mit warmen Worten Staatspreise an die erfolgreichen Azubis verliehen würden. Da sei Scheinheiligkeit im Spiel.

Demokratie endet nicht am Werkstor

Wenn alle behaupteten, „die Jugend ist unsere Zukunft“, dann müsse auch entsprechend gehandelt werden. Wer keine feste Zukunft habe, der investiere auch nicht in Hausstand, Auto und gründe keine Familie. „Wir wollen Planungssicherheit und Verlässlichkeit“, forderte Spieß im Interesse der Arbeitnehmer. Die befristeteten Arbeitsverhältnisse und die prekäre Beschäftigung stünden dem absolut entgegen. Es sei die Zeit für mehr Mitsprache gekommen, denn Demokratie ende nicht am Werkstor.

Zuletzt habe der Arbeitgeberverband in Bayern eine Tariferhöhung um drei Prozent auf 14 Monate angeboten. Das wären 2,7 Prozent für ein Jahr. Gleichzeitig wolle sich die Gegenseite eine Änderung bei der Praxis der Leiharbeit finanzieren lassen. Das würde 2,1 Prozent kosten, folglich könne nur eine Lohnsteigerung um 0,6 Prozent zugestanden werden, heiße es. Berücksichtige man die Inflation, wäre das ein Minus-Angebot.

Franz Spieß meinte zusammenfassend, die IGM habe Forderungen mit Augenmaß erhoben. Ziel sei eine gerechte Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg. Man müsse nicht streiken, werde es aber tun, „wenn sie uns dazu zwingen“. Der gestrige Warnstreik fand auf der Straße vor dem Werk statt. Eine Kundgebung auf dem Betriebsgelände hatte der Schaeffler-Konzern untersagt. Der Gewerkschaft war es im Nachhinein gerade recht. Dennoch konnte sich Franz Spieß einen Seitenhieb nicht verkneifen.

Zahlreiche "Boschianer" zum Eintritt in die IGM entschlossen

In der großen Krise, als Schaeffler sich wegen der Conti-Übernahme und der Rezession übernommen hatte, seien gemeinsame Demonstrationen gerade recht gewesen. „Wir sitzen in einem Boot“, sei gesagt worden, und zwar in guten wie schlechten Zeiten. Jetzt komme das Signal: „Wir wollen mit Euch nichts mehr zu tun haben.“ Der Umgang mit den Arbeitnehmern sei erkennbar ein anderer als damals. Im Schaeffler-Werk in Gunzenhausen hat die Gewerkschaft eine starke Stellung. Der Organisationsgrad wurde mit 70 Prozent angegeben. Nicht weit entfernt, bei Bosch, hatte die Gewerkschaft früher nichts zu melden.

Das hat sich geändert, berichtete Franz Spieß. In den letzten Monaten hätten sich zahlreiche „Boschianer“ zum Eintritt in die IGM entschlossen, sodass der Organisationsgrad auf etwa 50 Prozent angestiegen sei – zu Loos-Zeiten undenkbar.

Keine Kommentare