Täter und Opfer sollen sich außergerichtlich einigen

27.7.2012, 08:42 Uhr
Täter und Opfer sollen sich außergerichtlich einigen

© Neidhardt

Ein Fallbeispiel: Zwei Männer geraten auf der Kirchweih in Streit. Beide haben schon reichlich gebechert. Die Auseinandersetzung beginnt mit Worten und eskaliert bald. Der eine schlägt dem anderen einen Maßkrug auf den Kopf, die Verletzung ist erheblich. Es gibt mehrere Tatzeugen und der Staatsanwalt ermittelt. Er regt an, dass die Beteiligten bei einer Täter-Opfer-Ausgleichsstelle eine Lösung suchen. Daraufhin informiert die Vermittlerin der Ausgleichsstelle in getrennten Gesprächen über wesentliche Grundsätze eines Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA) und klärt, ob die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Gespräch über Möglichkeiten einer Wiedergutmachung besteht. Sie erreicht es, dass die beiden Männer in der Ausgleichsstelle zusammenkommen. In einem ausführlichen Gespräch schildert jeder seine Sicht des Vorfalls und dessen Folgen. Anschließend suchen Opfer und Täter eine gemeinsame Lösung, die den Frieden wiederherstellen soll. Der Täter entschuldigt sich für sein Verhalten und verpflichtet sich schriftlich, eine bestimmte Wiedergutmachungsleistung für das Opfer zu erbringen. Der Geschädigte sieht den Fall bei Erfüllung der Vereinbarung als erledigt an. Die beiden Männer haben beim TOA eine positive Erfahrung gemacht: Jeder konnte seine Interessen einbringen und selbst vertreten. Beide sind mit dem Ergebnis zufrieden und können den Fall deshalb auch emotional abschließen. Es bleiben keine negativen Gefühle zurück – das ermöglicht, dass Opfer und Täter sich künftig wieder vorbehaltlos begegnen können. Die Vermittlerin unterrichtet den Staatsanwalt in einem ausführlichen Bericht sodann über die getroffene Vereinbarung. Das Verfahren wird mit Zustimmung des Gerichts vorläufig eingestellt und die Vermittlerin überwacht die Zahlung der Wiedergutmachungsleistung. Nach vollständiger Zahlung wird das Verfahren dann endgültig für beendet erklärt. Der soziale Frieden und der Rechtsfrieden sind wiederhergestellt.

Streitfälle außergerichtlich zu lösen nimmt in Deutschland einen zunehmend hohen Stellenwert ein. Ein professioneller Mediator übernimmt als neutraler und unparteiischer Vermittler die Aufgabe, eine einvernehmliche Lösung zwischen den Streitenden zu finden. Viele Betroffene wählen bundesweit mittlerweile diese Form, um in Konflikten zu vermitteln und meiden so den Rechtsstreit vor Gericht.
In der Geschichte der Strafrechtspflege im Landgerichtsbezirk Ansbach ist der TOA ein Novum. Er wird auf regionaler Ebene in enger Zusammenarbeit des Vereins Präventionswegweiser, ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Jugendpflege und Kriminalprävention im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, und dem im Landgerichtsbezirk Ansbach aktiven Verein Straffälligenhilfe-Netzwerk angeboten.
Bei einem Treffen im Hotel „Zur Post“ in Gunzenhausen brachten die beiden Vorsitzenden Dr. Gerhard Karl (Straffälligenhilfe-Netzwerk), Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Ansbach, und der Gunzenhäuser Jugendgerichtshelfer Thomas Thill (Präventionswegweiser) mit der Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung das Kooperationsprojekt nun offiziell auf den Weg. Mit dabei waren neben Vorstandsmitgliedern beider Vereine die Amtsgerichtsdirektoren von Ansbach und Weißenburg Bernd Rösch und Dieter Hubel, der Vizepräsident des Landgerichts Ansbach Dr. Thomas Koch, Dr. Hans-Peter Neumann vom Ansbacher Anwaltsverein und das Mediatoren-Team.
Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen werden ab September die beiden Sozialpädagoginnen Svenja Mehmet, Streetworkerin des Diakonischen Werks, und Tina Silinger als Vermittlerinnen im Einsatz sein. In der Stadt und im Landkreis Ansbach stehen Bernhard Ranz (Diakon, Sozialarbeiter), Jutta Bahlo (Diplom-Sozialpädagogin), Katharina Espinoza (Sozialpädagogin), Peter Pfister (Diplom-Sozialpädagoge) und Aurelia Pelka (Rechtsanwältin) als professionelle Ansprechpartner für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs zur Verfügung.
Wie bei dem Treffen deutlich wurde, treffen Täter und Geschädigter auf rein freiwilliger Basis zusammen. Niemand, so hieß es, kann zum TOA gezwungen werden. Er bietet Täter und Opfer die Gelegenheit, aktiv die Problematik zu klären. Im Mittelpunkt stehen die Interessen des Opfers und die aktive Beteiligung des Täters, den Schaden wiedergutzumachen, sowie die ausführliche, außergerichtliche Aussprache beider Parteien in Form einer Entschuldigung und deren Annahme.
Wie die beiden Vorsitzenden Thomas Thill und Dr. Gerhard Karl betonten, setzt eine professionelle Durchführung des TOA eine enge Zusammenarbeit zwischen der Justiz und den Projektmitarbeitern voraus. Beide Vereine hätten sich zu einer Zusammenarbeit entschlossen, um professionell und umfassend den TOA in den beiden Landkreisen und der kreisfreien Stadt Ansbach anbieten zu können. Thill und Karl sprachen bei der Unterzeichnung der Vereinbarung von einer „historischen Stunde“.
Da der Ausgleich in Bayern überwiegend in den großen Städten angeboten wird, entschlossen sich die Vereine mit Unterstützung der Ansbacher Justizbehörde, das Projekt vor Ort zu realisieren. Es wird von Landgerichtspräsident Dr. Ernst Metzger und dessen Stellvertreter genauso wie von den Direktoren der Amtsgerichte und vom Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Ansbach ausdrücklich befürwortet und unterstützt. Die beteiligten Fachkräfte erhielten eine Ausbildung zum Mediater in Strafverfahren. Weitere Fortbildungen werden bis zur Einführung im September folgen.
Der TOA stellt besonders in Fällen von Diebstahl, Sachbeschädigung, Bedrohung, einfachen Körperverletzungen oder Beleidigung ein geeignetes Verfahren zur befriedenden Regelung von Konflikten zwischen Opfer und Täter dar. Er bietet beiden Seiten Vorteile. Das Opfer erhält die Chance, dass der erlittene Schaden schnell und unbürokratisch ausgeglichen wird. Dabei geht es nicht immer um einen finanziellen Ausgleich. Im Vordergrund der Wiedergutmachung kann auch eine Entschuldigung stehen. Denkbar ist aber auch eine Arbeitsleistung des Täters für das Opfer. Häufig führt eine Straftat beim Geschädigten zusätzlich zu Ängsten und Verunsicherung. Dieser Schaden kann dadurch gemildert werden, dass das Opfer den Täter kennenlernt und erlebt, dass er seine Tat bedauert und sich um Wiedergutmachung bemüht.
Der Täter kann in der Konfrontation mit dem Opfer konkret erfahren, wie sich die Tat auf dessen Lebenssituation ausgewirkt hat. Häufig weiß der Täter nämlich nicht, was er dem Geschädigten wirklich angetan hat. Eine solche Erfahrung kann sein künftiges Verhalten wirkungsvoll beeinflussen. Grundsätzlich bietet der TOA für den Täter die Möglichkeit, dass er selbst daran beteiligt wird, welche Wiedergutmachung er zu leisten hat. Aufgrund seiner Wiedergutmachung oder seines ernsthaften Bemühens, die Sache aus der Welt zu schaffen, kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht eine mildere Strafe vorschlagen beziehungsweise aussprechen oder das Verfahren ganz einstellen.
Wie bei dem Treffen im Hotel „Zur Post“ mehrfach betont wurde, kommt ein Ausgleich nur dann in Frage, wenn beide Beteiligten einverstanden sind. Eine weitere Grundvoraussetzung ist, dass der Täter zu seiner Tat steht.

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