Ursheimer Harrison-Zehelein und das heilige WM-Gras

25.7.2014, 16:34 Uhr
Ursheimer Harrison-Zehelein und das heilige WM-Gras

© Kowal

Nun liegt sie also wieder hinter uns, die 20. Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Und was war das für eine WM – gerade für Deutschland. Das Team von Jogi Löw wurde im Maracana Stadion von Rio de Janeiro, im Mekka des Weltfußballs sozusagen, zum vierten Mal in seiner Historie Weltmeister. Die ganze Geschichte scheint irgendwie immer noch zu schön, um wahr zu sein. Wie ein Traum. Doch sie ist wahr: Der vierte Stern leuchtet von nun an auf der Brust der DFB-Kicker.

Ursheimer Harrison-Zehelein und das heilige WM-Gras

© privat

Das Endspiel erlebte ich mitten im Deutschland-Block. Die Stimmung war etwas ganz besonderes und ist nur schwer zu beschreiben. Schon im Vorfeld war die Anspannung jedem deutschen Fan anzumerken und während des Spiels die Euphorie noch eher verhalten. Doch mit dem unerwarteten Geniestreich von Mario Götze in der 113. Minute explodierten die rund 13000 mitgereisten deutschen Fans völlig. Es herrschte pure Ekstase und Fassungslosigkeit – im positivsten Sinne. Denn kaum einer hatte mehr mit einem Tor in der Verlängerung gerechnet und sich fast alle schon innerlich auf das Elfmeterschießen eingestellt.

Als der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli nach unendlich langen 120 Minuten das Spiel endlich abpfiff, lagen sich rund um mich herum wildfremde Menschen in den Armen, küssten sich und vergossen Tränen der Freude. Der Jubel nach dem Schlusspfiff war nicht so lautstark, wie man sich es vielleicht nach einem gerade errungenem WM-Sieg vorstellen mag. Die Stimmung im Block war eher von großer Erleichterung und Glückseligkeitprägt. Außerdem hatten viele, so auch ich, vor lauter Schreien während des Spiels keine Stimme mehr. Alle wollten diesen Moment einfach in Ruhe genießen – wie auch die Spieler auf dem Platz mit ihren Familien. Doch spätestens als Philipp Lahm wenig später den goldenen WM-Pokal in den Himmel von Rio streckte, war der Jubel im deutschen Block wieder grenzenlos. Zwei Stunden nach Spielende war die deutsche Kurve noch gut gefüllt. Immer wieder kamen Spieler wie Manuel Neuer, Kevin Großkreutz oder Lukas Podolski aus der Kabine, um noch ein wenig mit den Fans zu feiern. Besonders ergreifend war das von den Fans gefeierte Elfmeterschießen zwischen Lukas Podolski und seinem kleinen Sohn Louis (5), welcher für sein zartes Alter schon durchaus treffsicher war.

Doch irgendwann geht auch der schönste Abend zu Ende und so mussten auch wir irgendwann das Stadion verlassen. Doch bevor ich dem Maracana endgültig „Adeus“ sagen musste, nahm ich mir als Andenken an diesen grandiosen Tag noch ein Stück Rasen von der Torlinie mit und schlenderte wie einst Franz Beckenbauer nach dem letzten WM-Sieg in Italien über den heiligen Finalrasen – mein persönliches Highlight dieser unvergesslichen WM.

Doch es blieb nicht viel Zeit, diesen Triumph zu genießen. Während im fernen Deutschland wohl noch der Ausnahmezustand herrschte, musste gleich am Morgen nach dem WM-Finale mit dem raschen Abbau des ARD/ ZDF-Sendezentrums im IBC in Rio begonnen werden. Was in drei Wochen mühselig aufgebaut worden war, musste nur in drei Tagen abgebaut werden. Hunderte Paletten mussten per See- und Luftfracht nach Deutschland befördert, kilometerlange Kabel aufgewickelt werden – ein Kraftakt für alle Beteiligten.

Ursheimer Harrison-Zehelein und das heilige WM-Gras

© privat

Wieder in Deutschland gelandet, begreife ich erst in Gesprächen und beim Zeitunglesen, wie besonders dieses komplette WM-Erlebnis wirklich war. Vor Ort bekam man vor lauter Arbeit und Zeitnot das Ausmaß und die Auswirkungen dieser WM in Deutschland und der restlichen Welt nicht so richtig mit. Es wird auch noch eine Weile dauern, um das Erlebte richtig sacken zu lassen. Es waren intensive acht Wochen, welche nicht nur aus Spiel und Spaß bestanden. In Erinnerung bleiben natürlich die positiven Highlights, allen voran die Spiele im Maracana, aber auch die Treffen mit Kollegen, Fußballstars, hübschen Spielerfrauen und sonstigen Promis sowie die Ausflüge an den Zuckerhut, den Corcovado oder der morgendliche Strandlauf entlang dem Sandstrand von Barra/Rio.

Brasilien war ein guter Gastgeber und hat sich bei dieser WM hervorragend präsentiert. Die von vielen erwarteten Unruhen und Proteste blieben aus. Doch für das Volk bleibt von der WM nicht viel übrig und die sozialen Probleme im Land sind weiterhin vorhanden und für alle klar sichtbar. Während in Rio ein Nobelhotel nach dem anderen für die Olympischen Spiele 2016 gebaut wird, wuchern die ärmlichen Favelas in der Innenstadt über und die Inflation im Land steigt und steigt.

Dennoch sind die Brasilianer ein fröhliches Volk, welches viel singt, tanzt und lacht. Von dieser Leichtigkeit und Lebensfreude können sich die Deutschen etwas abschauen. Gerade jetzt, wo man als Weltmeister doch allen Grund zur Freude hat. Und nein, es ist kein Traum...

Keine Kommentare